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Dokumente in der Rubrik Krankenhausrecht

Hier finden Sie aktuelle Entscheidungen und Hinweise zum Krankenhausplanungsrecht, Krankenhausfinanzierungsrecht und zu Schiedsstellenentscheidungen.

Die Versorgung gesunder Neugeborener im Rahmen von § 24 f Satz 3 SGB V / Verlegungsabschlag
 

Die Versorgung gesunder Neugeborener im Rahmen von § 24 f  Satz 3 SGB V stellt keine Aufnahme i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV (2015) dar. Sie bedeutet lediglich eine Nebenleistung zur Entbindung und / oder Krankenhausbehandlung der Mutter. Im Falle der Verlegung ist kein Verlegungsabschlag anzusetzen, da es an einer organisatorischen Eingliederung als Patient in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses fehlt.

 

BSG-Urteil vom 29.06.2023, Az.: B 1  KR 20/22 R

 

- Gesundes Neugeborene, Versorgung nach § 24 f Satz 3 SGB V, organisatorische Eingliederung, Patient, Verlegungsabschlag -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

im vorliegenden Fall hat sich das BSG mit der Frage auseinandergesetzt, ob bei Verlegung eines gesunden Neugeborenen ein Verlegungsabschlag anzusetzen ist. Es hat dies verneint.

 

Sachverhalt

 

Der gesunde Säugling wurde vom 19.- 20.09.2015 im Krankenhaus der Klägerin versorgt. Er wurde in ein anderes Krankenhaus mit der Diagnose Z76.2 (Gesundheitsüberwachung und Betreuung eines anderen gesunden Säuglings und Kindes) verlegt, in dem er geboren wurde und in dem sich seine Mutter zur stationären Behandlung befand.

 

Die Klägerin rechnete die Fallpauschale P67C ohne Verlegungsabschlag ab. Die beklagte Krankenkasse vertrat die Auffassung, dass ein Verlegungsabschlag berücksichtigt werde müsse und verrechnete daher einen Betrag in Höhe von 1.123,04 € mit anderen unstreitigen Rechnungen der Klägerin.

 

Die Vorinstanzen und das BSG gaben der Klägerin Recht und verurteilten die beklagte Krankenkasse zur Zahlung.  

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG stellt darauf ab, ob eine Verlegung stattgefunden hat. Maßgeblich hierfür ist eine stationäre Aufnahme, d.h. eine organisatorische Eingliederung als Patient in das spezifische Versorgungssystem des anderen Krankenhauses. Rechtsgrundlage für die Versorgung gesunder Neugeborener ist § 24 f Satz 3 SGB V, wobei Unterkunft, Pflege und Verpflegung gewährt wird. Dabei handelt es sich nicht um die Aufnahme eines Patienten, sondern lediglich um eine Nebenleistung zur Entbindung und / oder Krankenhausbehandlung. Der Säugling wurde nicht zur eigenen stationären Behandlung in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses organisatorisch eingegliedert, sondern er war gesund und es erfolgte lediglich eine „Gesundheitsüberwachung und Betreuung eines anderen gesunden Säuglings und Kindes“. Ein Verlegungsabschlag kommt daher nicht in Betracht.

 

Anmerkungen

 

Das BSG setzt einen Verlegungsabschlag nur dann an, wenn ein Patient in das spezifische Versorgungssystem des anderen Krankenhauses eingegliedert wurde. Die Aufnahmeentscheidung für den Patienten ist daher das maßgebliche Kriterium. Diese wird nach außen regelmäßig durch die Einweisung auf eine bestimmte Station, die Zuweisung eines Bettes oder das Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen und Ähnliches dokumentiert (so: BSG, aaO, Rdz. 31). Die Versorgung eines gesunden Neugeborenen ist lediglich eine Nebenleistung, ähnlich wie die Mitaufnahme einer Begleitperson. Insoweit scheidet nach dem Urteil des BSG  ein Verlegungsabschlag von vornherein aus.

 

  Datum: 27.09.2023 08:15:22
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Für Behandlungsfälle aus dem Jahr 2015 greift das Aufrechnungsverbot aus § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW
 

Für Behandlungsfälle aus dem Jahr 2015 greift das Aufrechnungsverbot aus § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW für Erstattungsforderungen, die sich aus einer nur sachlich falschen Abrechnung des Krankenhauses ergeben. Die PrüfvV 2014 war im Jahr 2015 auf eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung nicht anwendbar und steht somit dem Aufrechnungsverbot für solche Fälle aus dem Jahr 2015 nicht entgegen.

 

BSG-Urteil vom 11.05.2023, Az.: B 1 KR 14/22 R

 

- Nordrhein-westfälischer Landesvertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung (LV-NRW), normenvertragliches Aufrechnungsverbot gem. § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW, § 112 Absatz 2 Satz 1 Nr 1 Buchstabe b SGB V -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das vom BSG festgestellte Aufrechnungsverbot aus § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW wird nur in Ausnahmefällen, die bereits bei Gerichten anhängig sind,  Anwendung finden. Des Weiteren zeigt die Entscheidung die Grenzen der revisionsrechtlichen Auslegung von Landesverträgen auf. Haben Regelungen aus einem Landesvertrag keine Landesgrenzen-überschreitende Wirkung, hat das LSG (und nicht das BSG) „das letzte Wort“.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte im Jahr 2015 einen Patienten. Die entsprechende Rechnung wurde durch die beklagte Krankenkasse beglichen. Nachdem der beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) aber zu dem Ergebnis gelangte, dass eine andere DRG abzurechnen sei, rechnete die Beklagte den Differenzbetrag mit unstreitigen Vergütungsansprüchen der Klägerin auf. Die Klägerin bestritt die Rechtmäßigkeit dieser Aufrechnung und erhob Klage. Das Sozialgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung des Aufrechnungsbetrages. Das zuständige Landessozialgericht wies die Berufung der Beklagten hiergegen zurück. Das BSG hat die Auffassung der Vorinstanzen bestätigt.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG ist der Auffassung, dass der Aufrechnung ein wirksames, sich aus § 15 Absatz 4 Satz 2 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung (LV-NRW) ergebendes Aufrechnungsverbot entgegenstehe. Der LV-NRW gelte weiter, obwohl er gekündigt wurde. Das BSG könne als Revisionsgericht die landesvertragliche Regelung nicht selbst auslegen. Ein auf Landesebene geltender Vertrag stelle kein revisibles Recht im Sinne von § 162 SGG dar. Die Regelungen des LV-NRW seien gemäß § 112 Absatz 2 Satz 2 SGB V für die Krankenkassen und die zugelassenen Krankenhäuser im Land unmittelbar verbindlich. Ihr Anwendungsbereich erstrecke sich aber nicht über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus. Das Landessozialgericht habe dem Landesvertrag in § 15 Absatz 4 LV-NRW ein Aufrechnungsverbot für Erstattungsforderungen der Krankenkassen entnommen, die auf einer nur sachlich falschen Abrechnung durch die Krankenhäuser beruhen. Die sich aus § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW ergebende Rechtsfolge sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Vereinbarung in einem Landesvertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung, die die Aufrechnung gegen Vergütungsforderungen des Krankenhauses verbiete - wie hier § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW -, sei bei einer im Jahr 2015 erfolgten MDK-Prüfung außerhalb des Anwendungsbereichs der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) mit höherrangigem Recht vereinbar gewesen.

 

Die Vorschrift § 112 Absatz 2 Satz 1 Nr 1 Buchstabe b SGB V ermächtige zu Regelungen, ob und in welchem Umfang anstelle der geschuldeten Leistung - hier der Vergütung - ein Erfüllungssurrogat treten könne. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfasse diese Vorschrift auch Verrechnungsmodalitäten.

 

Schließlich stehe eine Aufrechnungsregelung nach der PrüfvV 2014 dem im Landesvertrag geregelten Aufrechnungsverbot nicht entgegen. Die PrüfvV 2014 sei im Jahr 2015 auf eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung nicht anwendbar gewesen.

 

Anmerkungen

 

Die Feststellungen zum Aufrechnungsverbot aus § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW betreffen nur Alt- Behandlungsfälle aus Nordrhein-Westfalen und nur aufgerechnete Erstattungsforderungen, die auf einer sachlich falschen Abrechnung beruhen. Somit sollte bei den bereits eingeklagten Altfällen geprüft werden, ob das Aufrechnungsverbot dort Anwendung findet.

 

Die PrüfvV 2022 sieht nur noch in einigen wenigen Ausnahmefällen eine Aufrechnung vor (siehe im Einzelnen § 11 PrüfvV 2022: vom Krankenhaus nicht bestrittene, geeinte oder rechtskräftig festgestellte Erstattungsforderungen der Krankenkassen).

 

  Datum: 25.09.2023 08:53:36
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Die Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Zusammenhang mit Entlassungen und Wiederaufnahmen
 

Die Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Zusammenhang mit Entlassungen und Wiederaufnahmen in dasselbe Krankenhaus ist auf Grund der Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntG seit dem 01.01.2019 abschließend den Vertragsparteien der FPV zugewiesen. Die Vertragsparteien der FPV haben in § 2 Abs. 2 FPV eine ermächtigungskonforme Regelung getroffen. Für die vom BSG entwickelten Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens, die darüber hinausgehen, besteht seit dem 01.01.2019 kein Raum.

 

BSG-Urteil vom 11.05.2023, Az.: B 1 KR 10/22 R

 

- Fallzusammenführung gem. § 2 Absatz 2 FPV, § 8 Absatz 5 Sätze 1 und 3 KHEntgG, fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Frage der Erforderlichkeit einer Fallzusammenführung ist ein Dauerstreitthema zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen. Das BSG hat mit seinem Urteil vom 11.05.2023 bestätigt, dass seit dem 01.01.2019 § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG Anwendung findet, wonach in anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht mehr zulässig ist.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte vom 09.10.2019 bis zum 18.10.2019 einen Patienten wegen anhaltender Durchfälle, wobei ein Rektumkarzinom mit Metastasen und weitere Erkrankungen diagnostiziert wurden. Als Operationstermin war der 24.10.2019 geplant. Der Patient wurde am 23.10.2019 erneut aufgenommen und planmäßig am 24.10.2019 operiert. Hierbei wurde festgestellt, dass das Karzinom nicht operabel war. Der Patient wurde daraufhin am 05.11.2019 in die hausärztliche Behandlung entlassen.

 

Die Klägerin stellte der beklagten Krankenkasse für den Aufenthalt vom 09.10.2019 bis zum 18.10.2019 auf Grundlage der DRG G60B einen Betrag in Höhe von 1.909,27 Euro und für den Aufenthalt vom 23.10.2019 bis zum 05.11.2019 auf Grundlage der DRG G18C einen Betrag in Höhe von 8.489,36 Euro in Rechnung. Die Beklagte beglich diese Rechnung nicht und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Durchführung einer Prüfung. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass eine Fortsetzung der im Rahmen des ersten Aufenthaltes noch nicht abgeschlossenen Behandlung möglich gewesen wäre, da die Wiederaufnahme zur Operation bereits beim ersten Aufenthalt geplant gewesen sei. Die Beklagte war daher der Ansicht, dass statt einer Entlassung eine Beurlaubung hätte erfolgen müssen, weshalb die Behandlungsfälle zusammenzuführen seien.

 

Die Klägerin erhob Klage, da sie ihre getrennte Abrechnung für korrekt hielt. Nach Klageerhebung zahlte die Beklagte zwar einen Teilbetrag, blieb im Übrigen jedoch bei der Ansicht, dass eine Fallzusammenführung hätte erfolgen müssen.

 

Das Sozialgericht hatte die Beklagte zur weiteren Zahlung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte das zuständige Landessozialgericht zurückgewiesen. Das Krankenhaus habe beide Behandlungsfälle korrekt abgerechnet. Die Voraussetzungen einer Fallzusammenführung hätten nicht vorgelegen. Die Beklagte könne nicht geltend machen, dass die Klägerin den Patienten unwirtschaftlich behandelt und somit nur Anspruch auf diejenige Vergütung habe, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre.

 

Das BSG hat die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG ließ sich von folgenden Erwägungen leiten:

 

Gemäß § 8 Absatz 5 Satz 3 KHEntgG soll eine Fallzusammenführung bzw. eine Vergütungskürzung nach Maßgabe eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens nur noch in den entweder vom Gesetzgeber selbst oder von den Vertragsparteien in der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) festgelegten Fällen stattfinden. Die Vorschrift § 8 Absatz 5 Satz 1 KHEntgG ordne eine Fallzusammenführung für den Fall an, dass Patienten wegen einer Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer wieder aufgenommen werden. Die Vertragsparteien der FPV regeln hierzu „Näheres oder Abweichendes“. Diesen gesetzlichen Vorgaben trage § 2 Absatz 2 FPV hinreichend Rechnung.

 

Den Regelungen zur Wiederaufnahme liegen dabei auch Erwägungen der Praktikabilität zugrunde. Es solle eine Lösung gefunden werden, die im täglichen Abrechnungsgeschäft auch bei hohen Fallzahlen praktikabel und von Krankenhäusern und Krankenkassen mit wenig Aufwand umzusetzen sei. Insoweit werde zugunsten der Praktikabilität des Abrechnungssystems auf eine Überprüfung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots in jedem einzelnen Behandlungsfall verzichtet.

 

Eine individuelle, auf den einzelnen Behandlungsfall bezogene Prüfung der Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots scheide danach aus. Dies gelte aber nicht, wenn für die Entlassung im konkreten Einzelfall überhaupt kein nachvollziehbarer sachlicher Grund ersichtlich sei und diese offensichtlich allein dazu diene, missbräuchlich eine weitere Fallpauschale zu generieren. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor.

 

Anmerkungen

 

Das BSG stützt sich nunmehr auf § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG, der ab dem 01.01.2019 Anwendung findet. Für die zeitlich davor liegenden Fallgestaltungen gilt nach wie vor die Beachtung der Grundsätze des BSG zum fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten. § 8 Abs. 5 Satz 2 KHEntgG weist den Vertragsparteien der FPV abschließend die Kompetenz zu, die Fallgestaltungen für eine Fallzusammenführung zu normieren. Dies haben sie in § 2 FPV vorgenommen. § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG bestimmt hierzu: „In anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig“. Daher ist für die bisherige Rechtsprechung des BSG bezüglich der Anwendung des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens ab 01.01.2019 kein Raum mehr. Einzige Ausnahme hiervon ist, wenn die Vorgehensweise des Krankenhauses rechtsmissbräuchlich ist.

 

  Datum: 22.09.2023 08:36:57
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Eine teilstationär arbeitende psychiatrische Tagesklinik stellt ein Krankenhaus gemäß § 107 Abs. 1 SGB V dar, auch wenn es ein unselbständiger Teil eines größeren, über mehrere Standorte verfügenden Krankenhauses ist.
 

Eine teilstationär arbeitende psychiatrische Tagesklinik stellt ein Krankenhaus gemäß § 107 Abs. 1 SGB V dar, auch wenn es ein unselbständiger Teil eines größeren, über mehrere Standorte verfügenden Krankenhauses ist. Die Qualifizierung als Krankenhaus setzt weder eine rechtliche Selbständigkeit noch eine eigenständige Wirtschaftsführung voraus. Damit hat die Trägerin der Tagesklinik Anspruch auf eine Ermächtigung nach § 118 Abs. 1 SGB V zum Betrieb einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA).

BSG Urteil vom 23.03.2023, Az.: B 6 KA 7/22 R

-Definition Krankenhaus, psychiatrische Tagesklinik, PIA, Ermächtigung, unselbständiger Teil eines Krankenhauses -

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Erteilung einer Ermächtigung zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung von Versicherten auf der Grundlage von § 118 Abs. 1 SGB V hängt von der Qualifizierung als psychiatrisches Krankenhaus ab. Vorliegend ging es darum, ob die psychiatrische Tagesklinik als Krankenhaus gemäß § 118 Abs. 1 SGB V einzuordnen ist und damit eine PIA Zulassung erhält. Dies hat das BSG uneingeschränkt bejaht.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt ein großes Zentrum für Psychiatrie mit 600 Betten und Plätzen an mehreren Standorten. U.a. betreibt sie eine vom Hauptstandort 45 km entfernte Tagesklinik auf dem Fachgebiet der Kinder – und Jugendpsychiatrie / - psychotherapie mit aktuell 14 Plätzen.  Das Zentrum  für Psychotherapie ist in den Krankenhausplan des Landes Baden-  Württemberg durch Feststellungsbescheid aufgenommen worden. In den Krankenhausdatenblättern, die Bestandteil des Bescheides sind, heißt es bezüglich der Tagesklinik: „ Satellit ZfP W1“ mit 10 tagesklinischen Plätzen für Kinder – und Jugendpsychiatrie / - psychotherapie.

Der Zulassungsausschuss lehnte die Ermächtigung auf der Grundlage von § 118 Abs. 1 SGB  V ab und erteilte nur eine befristete Ermächtigung gemäß § 118 Abs. 4 SGB V (betrifft räumlich und organisatorisch nicht angebundene Einrichtungen). Hiergegen hat die Klägerin erfolglos Widerspruch und Klage eingelegt.

Das BSG hat der Auffassung der Klägerin Rechnung getragen und den Ursprungsbescheid insoweit aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Zunächst stellt das BSG heraus, dass auch eine Tagesklinik als Krankenhaus qualifiziert werden kann. Des Weiteren stellt es fest, dass die psychiatrische Tagesklinik ein Krankenhaus i. S. von § 107 Abs. 1 SGB V darstellt. Dieser Einordnung als Krankenhaus steht nicht entgegen, dass die Tagesklinik nicht als vollkommen unabhängige, eigenständige Einrichtung, sondern als Teil eines größeren, über mehrere Standorte verfügenden Krankenhauses in den Krankenhausplan aufgenommen wurde. Die Bezeichnung als „Satellit“ sei unschädlich. Die Tagesklinik stehe fachlich- medizinisch unter ärztlicher Leitung, arbeite mit entsprechenden diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten nach wissenschaftlich anerkannten Methoden. In der Tagesklinik sei das erforderliche ärztliche, Pflege-, Funktions – und medizinisch – technische Personal verfügbar. Auch Unterbringung sowie Verpflegung seien für die Patienten in ausreichendem – einer Tagesklinik entsprechendem – Umfang gewährleistet. Unerheblich sei, dass die Tagesklinik ein unselbständiger Teil einer größeren Einrichtung ist. Die Qualifizierung als Krankenhaus setzt weder eine rechtliche Selbständigkeit noch eine eigenständige Wirtschaftsführung voraus (BSG, aaO, Rdz. 19).

Aus der Qualifizierung der Tagesklinik als Krankenhaus folge der Anspruch auf Ermächtigung nach § 118 Abs. 1 SGB V (PIA).

Anmerkungen

Der Auffassung des BSG ist uneingeschränkt zuzustimmen. Die Irritationen der Vorinstanzen sind letztlich auf die saloppe Formulierung im Bescheid als „Satellit“ zurückzuführen. Dies ist – wie das BSG richtigerweise betont- kein juristischer Begriff. Es wird daher empfohlen, bei den Feststellungsbescheiden der Behörden darauf hinzuwirken, dass juristisch klare Formulierungen gewählt werden. Dies kann bereits im Anhörungsverfahren vor Erlass der Feststellungsbescheide erfolgen. Bestehen Unklarheiten sollte auf eine Klarstellung Wert gelegt werden. Schließlich stellt der Feststellungsbescheid den Rahmen und die Grenzen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses dar (§ 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 BPflV, § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG).

  letzte Änderung: 06.07.2023 08:02:33
 
Ausschluss eines Anspruchs auf Aufwandspauschale
 

Es besteht kein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V, wenn das Prüfverfahren durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses veranlasst worden ist. Hierunter fällt auch die unzureichende Beantwortung einer Anfrage der Krankenkasse zur medizinischen Begründung der Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer. Eine solche unzureichende Beantwortung stellt einen Verstoß gegen die Informationspflicht nach § 301 SGB V dar.

BSG, Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 11/22 R

– Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V, Fehlverhalten eines Krankenhauses, Verlangen einer medizinischen Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung, Veranlassung des Prüfverfahrens, Datenschutz –

Sehr geehrte Damen und Herren,

über das vorgenannte Urteil des BSG hatten wir Sie bereits anhand des Terminsberichts informiert. Inzwischen liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor, die weitere Aufschlüsse geben.

Das BSG hat seine bisherige Rechtsprechung zum Ausschluss des Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale um den Fall erweitert, dass das Krankenhaus dem Verlangen der Krankenkasse nicht nachkommt, eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abzugeben und dadurch die Prüfung des Medizinischen Dienstes veranlasst wurde.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin der beklagten Krankenkasse im Dezember 2019 stationär. Im Januar 2020 rechnete das Krankenhaus die Behandlung ab. Im Februar 2020 bat die Krankenkasse um eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer. Das Krankenhaus gab an, der Zustand der Patientin sei aus medizinischer Sicht noch nicht gut genug gewesen, um eine Entlassung vornehmen zu können. Weitere Details dürften aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht in dieser Form erörtert werden. Hierfür stehe der Krankenkasse das Prüfungsverfahren (§§ 275 ff SGB V) zur Verfügung.

Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung beglich die Krankenkasse die Rechnung des Krankenhauses in voller Höhe. Die Forderung des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale wies die Krankenkasse jedoch mit der Begründung zurück, sie habe auf ihre Anfrage hin keine medizinischen Informationen erhalten. Die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sei daher durch das Krankenhaus veranlasst worden.

Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben und die Krankenkasse zu Zahlung von 300 Euro nebst Verzugszinsen verurteilt. Auf die Berufung der Krankenkasse hat das Landessozialgericht die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale scheide aus. Die Klägerin habe durch ihre Weigerung, auf Anfrage eine medizinische Begründung wegen Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abzugeben, Anlass für die Beauftragung des MD gegeben. Die Krankenkasse habe ihrerseits nicht treuwidrig gehandelt.

Das BSG hat die Revision der Klägerin gegen das LSG-Urteil zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG hat in seiner Entscheidung verdeutlicht, dass eine Pflichtverletzung eines Krankenhauses dem Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale entgegenstehen kann. Dies ergebe sich laut dem BSG bereits daraus, dass das Verfahren der Prüfung nach § 275c Abs. 1 SGB V effizient und konsensorientiert ausgestaltet sein solle.

Die Krankenkassen, der Medizinische Dienst und die Krankenhäuser sollen das Prüfverfahren in konstruktiver Zusammenarbeit durchführen. Bei der Abrechnungsprüfung sollen Konflikte durch das Prüfverfahren vermieden und gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden werden.

Das klagende Krankenhaus habe unter Verstoß gegen die Informationspflicht nach § 301 SGB V unzureichend die Anfrage der beklagten Krankenkasse beantwortet und keine medizinische Begründung zur Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer gegeben. Die Krankenkassen seien nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V jedoch berechtigt, bei Überschreiten der gemeldeten voraussichtlichen Verweildauer von dem Krankenhaus eine medizinische Begründung zu verlangen. Gleichzeitig ergebe sich aus § 301 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V die ausdrücklich angeordnete Pflicht des Krankenhauses, eine medizinische Begründung an die Krankenkasse zu übermitteln.

Das Krankenhaus sei hierbei verpflichtet, eine inhaltliche Begründung zu liefern, welche konkreten medizinischen Sachverhaltsumstände zum längeren Behandlungsverlauf geführt haben. Wenn das Krankenhaus keine derartige medizinische Begründung abgebe, genüge es den Anforderungen nicht.

Für die Anforderung einer Begründung reiche es hingegen aus, wenn die Krankenkasse das Verlangen auch ohne erläuternde Ausführungen äußere. Eine Antwort müsse hierbei elektronisch oder – wie in § 301 Abs. 1 S. 2 SGB V ausdrücklich klargestellt - in nicht maschinenlesbarer Form ausführlich formuliert an die Krankenkasse übermittelt werden. Auch Gründe des Datenschutzes rechtfertigen das Unterlassen einer medizinischen Begründung nicht.

Eine Krankenkasse sei in einem solchen Fall auch nicht verpflichtet, vor der Beauftragung des Medizinischen Dienstes einen Kurzbericht vom Krankenhaus einzuholen.

Im vorliegenden Fall war das BSG der Ansicht, dass sich aus dem rheinland-pfälzischen Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V keine Rechtspflicht ergebe, einen Kurzbericht anzufordern. Vielmehr sei der Krankenkasse nur die Möglichkeit eingeräumt worden, einen Kurzbericht einzuholen („Kann-Vorschrift“). Verletze ein Krankenhaus diese (fälligkeitsbegründenden) Informationspflichten, schließe dies nicht die Berechtigung der Krankenkasse aus, den Sachverhalt vorgerichtlich mit den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aufzuklären. Eine Krankenkasse handle daher nicht pflichtwidrig, wenn sie nach dem gescheiterten Verlangen einer medizinischen Begründung den Medizinischen Dienst einschalte.  

Anmerkungen

Aus den Urteilsgründen wird deutlich, dass das BSG von einer streng einzuhaltenden Pflicht der Krankenhäuser zur Beantwortung einer Anfrage der Krankenkasse zur medizinischen Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer ausgeht. Datenschutzprobleme sieht das BSG in diesem Zusammenhang nicht.

Es ist daher jedem Krankenhaus anzuraten entsprechende Anfragen der Krankenkassen ernst zu nehmen und medizinisch zu begründen. Andernfalls kann die Krankenkasse den Medizinischen Dienst ohne Umwege beauftragen. Bestätigt dieser in seiner Begutachtung die Abrechnung des Krankenhauses, ist das Krankenhaus nicht berechtigt, die Zahlung der Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V von der Krankenkasse zu verlangen. Die  fehlende oder unzureichende Beantwortung derartiger Anfragen stellt nämlich ein das Prüfverfahren verursachendes Fehlverhalten des Krankenhauses dar und schließt damit den Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V aus.

  Datum: 05.07.2023 09:19:49
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Vergütungsrechtliche Konsequenz einer wahrheitswidrigen Angabe im Transplantationsverfahren
 

Einem Krankenhaus steht ein Vergütungsanspruch für eine Transplantation zu, auch wenn transplantationsrechtliche Regelungen zur Übermittlung der für die Organzuteilung (Allokation) erforderlichen Angaben verletzt wurden. Eine wahrheitswidrige Angabe stellt nämlich keinen Verstoß gegen das Qualitätsgebot dar.

BSG, Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 3/22 R

– Angaben zur Organallokation, wahrheitswidrige Angaben,  Transplantationsgesetz, qualitätssichernde Zielrichtung, Qualitätsgebot, Schadensersatzanspruch –

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Verstoß gegen die Meldepflicht gegenüber der Eurotransplant International Foundation und damit eine nachweislich falsche Angabe im Transplantationsverfahren den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses hinsichtlich der erfolgten Transplantation entfallen lässt. Dies hat es verneint. 

Sachverhalt

Das beklagte Krankenhaus transplantierte in den Jahren 2010 und 2011 zwei Patienten jeweils eine Spenderleber. Beide Patienten waren zu dieser Zeit bei der klagenden Krankenkasse krankenversichert.

Nach einem anonymen Hinweis im Juli 2011 erstattete das Krankenhaus selbst Strafanzeige gegen einen dort von Oktober 2008 bis Ende 2011 im Bereich der Transplantationschirurgie beschäftigten leitenden Oberarzt. Im Zuge der staatsanwaltlichen Ermittlungen stellte sich heraus, dass verantwortliche Mitarbeiter des Krankenhauses falsche Meldungen an die Eurotransplant International Foundation, die zentrale Vermittlungsstelle für Organspenden, vorgenommen hatten, um auf diese Weise die eigenen Patienten auf einem höheren Wartelistenplatz zu positionieren.

Im Falle der bei der Klägerin versicherten Patienten waren wahrheitswidrige Angaben zu vorangegangenen Dialysebehandlungen getätigt worden. Dies hatte dazu geführt, dass die Patienten nach dem für die Erstellung der einheitlichen Warteliste maßgeblichen MELD-Score einen höheren Platz auf der Warteliste erhielten.

Das gegen den leitenden Oberarzt wegen Verdachts des versuchten Totschlags und der Körperverletzung vor dem LG Göttingen geführte Strafverfahren endete am 06.05.2015 mit einem Freispruch, welchen der BGH mit Urteil vom 28.06.2017 bestätigte.

Das Sozialgericht verurteilte das Krankenhaus zur Rückzahlung von 157.159,31 Euro nebst Zinsen. Der Krankenkasse stehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch auf Rückzahlung der Vergütungen zu. Obwohl die durchgeführten Transplantationen in beiden Fällen unstreitig medizinisch indiziert und von den behandelnden Ärzten nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen worden seien, seien sie im Rechtssinn nicht erforderlich gewesen.

Das LSG hat das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Bei der Meldung der Daten an die Eurotransplant International Foundation handele es sich nicht um eine formale oder inhaltliche Voraussetzung der Entstehung eines Vergütungsanspruchs für die stationäre Krankenhausbehandlung des Transplantationspatienten. Auch die Erforderlichkeit der stationären Leistungen entfalle nicht. Ein Verstoß gegen die Meldepflichten gegenüber der Eurotransplant International Foundation habe keinen Einfluss auf die Eignung und Qualität der erbrachten Transplantationen.

Das BSG hat die Revision der Krankenkasse gegen das Urteil des LSG zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG hielt die Revision für unbegründet. Die Klägerin habe keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der geleisteten Vergütungen, denn sie habe die Vergütungen nicht ohne Rechtsgrund erbracht. Der Vergütungsanspruch für die medizinisch erforderliche Transplantation eines im vorgesehenen Verfahren zugeteilten Organs entfalle nicht dadurch, dass das Krankenhaus falsche Angaben zur Dringlichkeit der Transplantation an die Vermittlungsstelle gemeldet habe. Hier seien transplantationsrechtliche Regelungen zur Übermittlung der für die Allokation erforderlichen Angaben verletzt worden. Hierin liege aber kein Verstoß gegen das Qualitätsgebot, denn die hier verletzten Allokationsregelungen dienen nicht der Qualitätssicherung im System der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Regelungen haben nicht die Funktion einer präventiven Risikominderung, sondern dienen der Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit im Hinblick auf knappe medizinische Ressourcen. Wahrheitswidrige Angaben zur Dringlichkeit einer an sich medizinisch indizierten Transplantation lassen die krankenversicherungsrechtliche Notwendigkeit nicht entfallen.

Das BSG verkenne nicht, dass das Vertrauen in ein gerechtes Verteilungssystem für Spenderorgane durch Manipulationen nachhaltig beschädigt werde und dies dessen Funktionsfähigkeit insgesamt potentiell gefährde. Für die Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs spielen diese Gerechtigkeitserwägungen nach dem hier maßgeblichen Recht aber keine Rolle.

Der Krankenkasse stehe auch kein Schadensersatzanspruch zu, da die Allokationsregelungen des Transplantationsgesetzes nicht die Interessen der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung schützen.

Anmerkungen

In dieser Entscheidung hat das BSG trennscharf zwischen der Verletzung einer Vorschrift des Transplantationsgesetzes und der Verletzung einer Vorschrift des SGB V unterschieden.

Der Anspruch auf Krankenbehandlung richtet sich danach, welche Behandlung unter Beachtung des Qualitätsgebots gem. § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V und des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen.

Einzelne Vorschriften des Transplantationsgesetzes können zwar der Beachtung dieses Qualitätsgebots dienen. Dies war im vorliegenden Fall jedoch nicht der Fall. Kommt es daher zur Verletzung einer Vorschrift des Transplantationsgesetzes, ist es für die Frage der Behandlungsvergütung entscheidend, ob der verletzten Vorschrift eine qualitätssichernde Zielrichtung zukommt. Dies war hier nicht der Fall. 

  Datum: 04.07.2023 08:38:46
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Nachweis des sachlichen Grundes bei Verlegung
 

Eine Verlegung kann trotz der damit verbundenen Vergütungsabschläge zu höheren Gesamtbehandlungskosten für die Krankenkasse führen. Deshalb bedarf es hierfür eines sachlichen Grundes, den das Krankenhaus im Streitfall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Als sachliche Gründe kommen vor allem in Betracht: Zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten* sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Abs. 1 KHG).

*Die Bezeichnung Patient umfasst i. Folg. alle Geschlechter

BSG, Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 4/22 R

– Verlegung, sachlicher Grund, Darlegungs- und Beweislast, Pflichtverletzung, Schadensersatzanspruch, Wirtschaftlichkeitsgebot, mehrstufiges Krankenhausversorgungssystem –

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG hat die Darlegungs- und Beweislast für den sachlichen Grund für eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus dem verlegenden Krankenhaus auferlegt. Im vorliegenden Fall zieht das BSG sogar einen Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB wegen einer eventuell ungerechtfertigten Verlegung in Betracht.

Sachverhalt

Das klagende Universitätsklinikum behandelte die Patientin im Mai 2017 vollstationär. Am 18. Mai 2017 wurde sie aus dem Universitätsklinikum in ein wohnortnahes Krankenhaus verlegt und dort noch bis zum 26. Mai 2017 stationär weiterbehandelt. Das Universitätsklinikum stellte der beklagten Krankenkasse für die Behandlung der Patientin 4.319,55 Euro in Rechnung und berücksichtigte dabei einen Verlegungsabschlag in Höhe von 1.657,48 Euro. Das wohnortnahe Krankenhaus berechnete für die eigene stationäre Behandlung der Versicherten 2.806,57 Euro. Die Krankenkasse beglich die Rechnung des Universitätsklinikums und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit der Durchführung eines Prüfverfahrens. Im Ergebnis dieser Prüfung rechnete die Krankenkasse 1.147,76 Euro mit einer anderen unstrittigen Forderung des Universitätsklinikums auf. Zur Begründung der Aufrechnung machte sie geltend, die Verlegung sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Die Patientin hätte im Universitätsklinikum bis zur Entlassung weiterbehandelt werden können und müssen. Dann hätte sie (die Krankenkasse) insgesamt für die stationäre Behandlung in den beiden Krankenhäusern 1147,76 Euro weniger vergüten müssen.

Das Sozialgericht hat die Krankenkasse zur Zahlung von 1.447,76 Euro (1.147,76 Euro zuzüglich 300 Euro Aufwandspauschale) nebst Zinsen verurteilt. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Krankenkasse zurückgewiesen. Die Krankenkasse habe weder einen öffentlich-rechtlichen Erstattungs- noch einen Schadensersatzanspruch. Sie könne nicht geltend machen, die Verlegung in das wohnortnahe Krankenhaus sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Für einen solchen Einwand gebe es in den Abrechnungsbestimmungen keine Rechtsgrundlage.

Das BSG hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG ist der Ansicht, dass ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB in Betracht kommen könnte, wenn und soweit die Verlegung des Patienten ohne sachlichen Grund erfolgt sei und der Krankenkasse hierdurch Mehrkosten entstanden seien.

Eine Verlegung führe regelmäßig zu höheren Gesamtbehandlungskosten für die Krankenkasse und bedürfe daher eines sachlichen Grundes, den das verlegende Krankenhaus im Streitfall darzulegen und ggf. zu beweisen habe.

Als sachliche Gründe für eine Verlegung kommen zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Absatz 1 KHG) in Betracht.

Zwingende Gründe können etwa die Entfernung des Krankenhauses von nächsterreichbaren Verwandten oder anderen Bezugspersonen, die Störung des Vertrauensverhältnisses zum Krankenhaus, relevante religiöse Bedürfnisse sowie ähnliche Belange des Patienten sein, die einen Verbleib in dem bisherigen Krankenhaus auch in Anbetracht der damit voraussichtlich verbundenen Mehrkosten für die Krankenkasse als unzumutbar erscheinen lassen.

Allein der Umstand, dass das aufnehmende Krankenhaus näher am Wohnort des Patienten gelegen sei, rechtfertigte aber die mit einer Verlegung regelmäßig verbundenen erheblichen Mehrkosten nicht. Insofern müssen weitere Umstände hinzukommen, etwa dass in dem verlegenden Krankenhaus eine erforderliche Betreuung durch die sorgeberechtigten Eltern oder durch eine aus medizinischen Gründen erforderliche Begleitperson nicht möglich oder erheblich erschwert sei.

In einem mehrstufigen Krankenhausversorgungssystem könne die Verlegung aus einem Krankenhaus einer höheren Stufe (insbesondere Spezialklinik oder Maximalversorger) in ein Krankenhaus einer niedrigeren Stufe (insbesondere Krankenhaus der Grund- oder Regelversorgung) aus übergeordneten Gründen der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern gerechtfertigt sein, wenn und soweit es zur Behandlung des Patienten der besonderen Mittel des Krankenhauses der höheren Stufe nicht (mehr) bedürfe und die dortigen Versorgungskapazitäten für andere Patienten benötigt würden. Dies habe im Streitfall das verlegende Krankenhaus darzulegen und zu beweisen.

Bei der Entscheidung über die Verlegung müsse zumindest eine überschlägige prognostische Schätzung der Mehrkosten durch das Krankenhaus erfolgen. Dies sei auch bei der Prüfung des Vertretenmüssens des verlegenden Krankenhauses gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu berücksichtigen.

Eines besonderen sachlichen Grundes bedürfe es dagegen nicht, wenn und soweit durch die Verlegung für die Krankenkasse keine Mehrkosten entstehen.

Es komme für den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht darauf an, ob im vorliegenden Fall die Verlegung in das wohnortnahe Krankenhaus medizinisch notwendig gewesen sei. Die medizinische Notwendigkeit der Verlegung sei keine zusätzliche Vergütungsvoraussetzung für den Anspruch des aufnehmenden Krankenhauses bei erfolgter Verlegung des Patienten. Das gelte in gleicher Weise auch für das verlegende Krankenhaus.

Der Begriff der Verlegung werde in § 1 Abs 1 Satz 4 FPV 2017 definiert und setze lediglich voraus, dass der Patient innerhalb von 24 Stunden aus einem Krankenhaus entlassen und in ein anderes Krankenhaus aufgenommen werde. Von weiteren Voraussetzungen mache die Regelungen der FPV 2017 die getrennte Abrechnung eines Verlegungsfalles durch das verlegende und das aufnehmende Krankenhaus nicht abhängig, insbesondere nicht von einer medizinischen Notwendigkeit oder einer Zweckmäßigkeit der Verlegung.

Verstöße gegen die Behandlungspflicht eines zugelassenen Krankenhauses können sich auf den Vergütungsanspruch aber nur auswirken, wenn dieser bei pflichtgemäßem Vorgehen geringer ausgefallen wäre. Pflichtverletzungen des Leistungserbringers, die den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht tangieren, sondern lediglich an anderer Stelle für die Krankenkasse höhere Kosten verursachen, rechtfertigen keine allgemeinen Vergütungskürzungen, sondern allenfalls einen (verschuldensabhängigen) Schadensersatzanspruch gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V i. V. m. § 280 Abs 1 BGB.

Anmerkungen

Das BSG Urteil zeigt die rechtlichen Konsequenzen bei einer Verlegung ohne nachweisbaren sachlichen Grund auf. Eine solche Verlegung ohne sachlichen Grund kann auch zu einem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB führen, wenn dadurch die Vergütung der Krankenkasse insgesamt höher ausfällt.

Es wird daher empfohlen, im Falle einer Verlegung die hierfür auschlaggebenden sachlichen Gründe in der Krankenakte zu dokumentieren. Dabei kann man sich gut an den im BSG Urteil aufgeführten akzeptierten sachlichen Gründen orientieren  (BSG Urteil, aaO, Rdz 41-47).

  Datum: 30.06.2023 08:23:22
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Auswirkung des Versäumens der Ausschlussfrist gem. § 8 Satz 3 PrüfvV (2014)
 

Wenn es eine Krankenkasse versäumt, die wesentlichen Gründe, warum eine Leistung nicht in vollem Umfang wirtschaftlich oder die Abrechnung nicht korrekt war, innerhalb von neun Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige einem Krankenhaus mitzuteilen, kann sich die Krankenkasse in einem späteren gerichtlichen Verfahren nicht mehr auf die Einwendungen zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung berufen.

Sozialgericht für das Saarland, Gerichtsbescheid vom 05.04.2023, S 1 KR 969/18 (rechtskräftig)

- OPS 8-981 (neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls), neunmonatige Ausschlussfrist nach § 8 Satz 3 PrüfvV (2014), späterer Ausschluss von Einwendungen -

Sehr geehrte Damen und Herren,

in dem Rechtsstreit einer Krankenkasse mit dem von uns vertretenen Krankenhaus ging es um die Anwendung der Ausschlussfrist nach § 8 Satz 3 PrüfvV (2014).

Das SG hat entschieden, dass eine Krankenkasse die formellen Vorschriften der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV 2014) einhalten muss, wenn sie sich auf das (vermeintliche) Fehlen von Voraussetzungen einer OPS-Prozedur berufen will. Die Ausschlussfrist von neun  Monaten in § 8 Satz 3 PrüfvV (2014) gilt hierbei auch für später erhobene Einwendungen zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung. Bei Versäumen dieser Ausschlussfrist kann sich eine Krankenkasse im gerichtlichen Verfahren nicht mehr nachträglich  auf derartige Einwendungen berufen.

Sachverhalt

Die Beteiligten stritten über die Abrechnung einer stationären Krankenhausbehandlung im Jahr 2016. Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Die Beklagte ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses. Zur Abrechnung kam hierbei unter Zugrundelegung der Prozedur OPS 8-981 (neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) die DRG B69C.

Die Klägerin beglich zunächst die Abrechnung. Nach Einleitung einer Überprüfung der Abrechnung durch den MDK bestätigte der MDK die neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls.

Dennoch hat die Klägerin im Jahr 2018 Klage erhoben und machte mit dieser einen vermeintlichen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend, da aus Sicht der Klägerin die Beklagte zu Unrecht ihrer Abrechnung die Prozedur OPS 8-981 zugrunde gelegt habe.

Die Klägerin trug vor, dass die der Prozedur zugrundeliegenden Strukturvoraussetzungen durch das Krankenhaus der Beklagten nicht erfüllt würden. So verlange die Prozedur u. a., dass das Krankenhaus einen unmittelbaren Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen aufweise. Dies bedinge, dass jeweils eine eigene Abteilung im Hause des Krankenhauses vorhanden sei oder dieses einen Kooperationspartner habe, der in höchstens halbstündiger Transportentfernung ansässig sei. Diese Voraussetzungen jedoch würden vom  Krankenhaus der Beklagten nicht erfüllt.

Das Sozialgericht für das Saarland hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das Sozialgericht für das Saarland ist der Ansicht, dass die Klägerin der Abrechnung die von ihr erhobenen Einwendungen nicht (mehr) entgegenhalten könne.

Nach § 8 der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Prüfverfahrensvereinbarung habe in den Fällen, in denen eine Abrechnungsprüfung durch den MDK stattgefunden habe, die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen. Wenn die Leistung nicht in vollem Umfange wirtschaftlich oder die Abrechnung nicht korrekt gewesen sei, seien die wesentlichen Gründe darzulegen. Die Mitteilungen nach Satz 1 und 2 haben innerhalb von 9 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige nach § 6 Absatz 3 zu erfolgen. Die Regelung des Satzes 3 wirke als Ausschlussfrist.

Berücksichtigt man, dass die Einleitung des Prüfverfahrens im Jahr 2016 erfolgt sei, sei die aus § 8 PrüfvV (2014) folgende Ausschlussfrist im Jahr 2018 abgelaufen gewesen, so dass die Klägerin mit diesen Einwendungen nicht mehr gehört werden könne.

Die Klägerin habe bezüglich der Prozedur OPS 8-981 umfassend einen Prüfauftrag erteilt. Eine Einschränkung auf nur einen Teil der umfassend beinhalteten Leistungs- und Strukturmerkmale sei nicht erfolgt. Demgemäß habe der MDK auch ausdrücklich das Vorliegen der Mindestmerkmale insgesamt bestätigt und wörtlich ausgeführt: „Strukturprüfung erfolgt.“

Soweit sich die Klägerin zur Prüfung von Strukturmerkmalen des MDK bedient habe, obwohl dies nicht zwingend erforderlich sei, müsse sie sodann aber auch die geltenden Verfahrensregelungen der PrüfvV (2014) gegen sich gelten lassen.

Somit sei die Klägerin mit ihren erhobenen Einwendungen gegen die Abrechnung ausgeschlossen.

Anmerkung

Das SG  hat mit seiner zutreffenden Entscheidung die Konsequenzen einer MDK- Prüfung und die Beachtung der Ausschlussfrist nach § 8 PrüfvV (2014) bekräftigt. Die in § 8  Satz 3 PrüfvV (2014) vorgesehene Ausschlussfrist findet uneingeschränkt Anwendung, selbst wenn die MDK-Prüfung insoweit nicht erforderlich war, aber durch die Krankenkasse dennoch eingeleitet wurde. Werden entsprechende Einwände nicht fristgerecht geltend gemacht, können sie im anschließenden Gerichtsverfahren nicht verwertet werden.

  Datum: 29.06.2023 14:40:51
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Vor einer Behandlungsmaßnahme muss eine rechtzeitige Aufklärung erfolgen, wobei eine „Sperrfrist“ gesetzlich nicht vorgesehen ist
 

Die Aufklärung des Patienten* gem. § 630e BGB muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. Eine „Sperrfrist“, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führt, existiert dabei nicht. Entscheidend ist, ob der Patient unter den jeweils gegebenen Umständen ausreichend Gelegenheit hat, frei darüber zu entscheiden, ob er sich der beabsichtigten medizinischen Maßnahme unterziehen möchte oder nicht.

*Die Bezeichnung Patient umfasst i.Folg. alle Geschlechter

BGH, Urteil vom 20.12.2022, VI ZR 375/21

– Grundsätze zur Aufklärung gem. § 630e BGB, rechtzeitige Aufklärung, Bedenkzeit des Patienten, Einwilligung in den ärztlichen Eingriff , gesetzliche Sperrfrist, Selbstbestimmungsaufklärung –

Sehr geehrte Damen und Herren,

der BGH hat die Anforderungen an die „Rechtzeitigkeit“ einer Aufklärung gem. § 630e BGB mit diesem Urteil konkretisiert. Der aufklärende Behandler muss demnach nicht eine bestimmte zeitliche Frist einhalten, damit die Aufklärung als rechtzeitig bewertet werden kann. Vielmehr muss im konkreten Einzelfall die Möglichkeit des Patienten bestanden haben, frei über die medizinischen Maßnahmen zu entscheiden und hierin einzuwilligen.

Sachverhalt

Der klagende Patient litt im Jahr 2013 an chronisch rezidivierenden Ohrentzündungen und Paukenergüssen. Er wurde vom behandelnden Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde im Hinblick auf eine mögliche Ohroperation (Mastoidektomie) in die HNO-Klinik des von der Beklagten betriebenen Klinikums überwiesen und dort untersucht. Dem Kläger wurde im Krankenhaus geraten, in einem ersten Schritt zur Optimierung der Nasenluftpassage die Nasenscheidewand begradigen und die Nebenhöhlen sanieren zu lassen. Am 1. November 2013 wurde der Kläger von einer Ärztin über die Risiken des beabsichtigten Eingriffs aufgeklärt. Im Anschluss an das Aufklärungsgespräch unterzeichnete er das Formular zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff. Am 4. November 2013 wurde der Kläger stationär aufgenommen und der Eingriff durchgeführt. Intraoperativ trat eine stärkere arterielle Blutung auf. Postoperativ war der Kläger nicht erweckbar. Im CT zeigte sich eine Hirnblutung. Bei der daraufhin erfolgten neurochirurgischen Intervention wurde festgestellt, dass es bei dem Eingriff zu einer Verletzung der Dura, der vorderen Hirnschlagader und zu einer Durchtrennung des Riechnervs links gekommen war. Der Kläger wurde in der Folgezeit umfassend stationär und ambulant behandelt.

Mit der Behauptung, die Operation vom 4. November 2013 sei fehlerhaft vorbereitet und durchgeführt worden und er sei unzureichend aufgeklärt worden, hat der Kläger die Beklagte auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Schadens aus der ärztlichen Behandlung durch die Beklagte dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, da es an einer wirksamen Einwilligung fehle.

Mit der Revision begehrte die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts nun aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Der BGH ist der Ansicht, dass mit der Begründung des Oberlandesgerichts ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht bejaht werden könne. Die Aufklärung sei inhaltlich ausreichend gewesen. Die Einwilligung des Klägers sei wirksam, auch wenn dem Kläger aus seiner Sicht keine ausreichende Bedenkzeit gem. § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB zwischen der Aufklärung über die Risiken des Eingriffs und der Entscheidung über die Einwilligung eingeräumt worden sei.

Die Bestimmung des § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB enthalte kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsse. Die Vorschrift kodifiziere vielmehr die bisherige Rechtsprechung, der zufolge der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden müsse, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen könne.

Laut § 630d BGB sei der Behandelnde verpflichtet, vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme die Einwilligung des Patienten einzuholen. Die Vorschrift § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB regele dabei die Anforderungen an die Aufklärung des Patienten in zeitlicher Hinsicht. Nach dieser Vorschrift müsse die Aufklärung so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen könne. Bereits nach dem Wortlaut und der Stellung im Gesetz beziehe sich die Bestimmung allein auf den Zeitpunkt, zu dem das Aufklärungsgespräch stattzufinden habe. Danach müsse die Aufklärung rechtzeitig vor dem Eingriff erfolgen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll mit dieser Regelung keine inhaltliche Änderung der Rechtslage verbunden sein, sondern lediglich die bisherige Rechtsprechung wiedergegeben werden.

Im Einklang mit dieser Rechtsprechung sehe § 630 e BGB keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“ vor, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde. Die Vorschrift enthalte kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsse. Vielmehr fordere die Vorschrift eine Aufklärung, die die Möglichkeit zu einer reflektierten Entscheidung des Patienten gewährleiste.

Die Aufklärung müsse zu einem Zeitpunkt erfolgen, in  dem der Patient noch in vollem Besitz seiner Erkenntnis- und Entscheidungsfreiheit sei. Die Aufklärung dürfe auch nicht erst so kurz vor dem Eingriff erfolgen, dass der Patient wegen der in der Klinik bereits getroffenen Operationsvorbereitungen unter einen unzumutbaren psychischen Druck gerate oder unter dem Eindruck stehe, sich nicht mehr aus einem bereits in Gang gesetzten Geschehensablauf lösen zu können. Entscheidend sei, ob der Patient unter den jeweils gegebenen Umständen ausreichend Gelegenheit habe, innerlich frei darüber zu entscheiden, ob er sich der beabsichtigten medizinischen Maßnahme unterziehen wolle oder nicht.

Zu welchem konkreten Zeitpunkt ein Patient nach ordnungsgemäßer - insbesondere rechtzeitiger - Aufklärung seine Entscheidung über die Erteilung oder Versagung seiner Einwilligung treffe, sei seine Sache. Sehe er sich bereits nach dem Aufklärungsgespräch zu einer wohlüberlegten Entscheidung in der Lage, sei es sein gutes Recht, die Einwilligung sofort zu erteilen. Wünsche er dagegen noch eine Bedenkzeit, so könne von ihm grundsätzlich erwartet werden, dass er dies gegenüber dem Arzt zum Ausdruck bringe und von der Erteilung einer - etwa im Anschluss an das Gespräch erbetenen - Einwilligung zunächst absehe. Es könne von ihm grundsätzlich verlangt werden, zu offenbaren, wenn ihm der Zeitraum für eine besonnene Entscheidung nicht ausreiche. Tue er dies nicht, so könne der Arzt grundsätzlich davon ausgehen, dass er keine weitere Überlegungszeit benötige.

Eine andere Beurteilung sei allerdings - sofern medizinisch vertretbar - dann geboten, wenn für den Arzt erkennbare konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass der Patient noch Zeit für seine Entscheidung benötige.

Die Einwilligung in den ärztlichen Eingriff sei schließlich nicht an eine bestimmte Form gebunden. Sie könne ausdrücklich erfolgen oder sich konkludent aus den Umständen und dem gesamten Verhalten des Patienten ergeben. So könne eine Einwilligung anzunehmen sein, wenn sich der Patient bewusst der Behandlung unterzieht.

Anmerkungen

Der BGH geht bei seiner Entscheidung von einem grundsätzlich mündigen Patienten aus, der nach selbst gewählter Bedenkzeit entscheiden könne, ob er in eine bestimmte medizinische Maßnahme einwilligen will. Eine „Sperrfrist“ ist gesetzlich nicht vorgesehen. Der behandelnde Arzt oder das Krankenhaus müssen keine besonderen Zeitfenster für die Entscheidung zur Einwilligung garantieren. Der BGH hat damit die Rechtsposition der Behandler gestärkt, indem er die Selbstbestimmung des Patienten als wesentlichen Gradmesser herangezogen hat. Insoweit muss eine Behandler nur an einer Einwilligung zweifeln, wenn erkennbare konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Patient noch Zeit für seine Entscheidung gebraucht hätte.

Unbeschadet dessen empfiehlt sich, bei dem Patienten konkret nachzufragen, ob er für seine Einwilligungsentscheidung für den beabsichtigten Eingriff noch weitere Überlegungszeit brauche; dies sollte dann auch entsprechend dokumentiert werden.

  letzte Änderung: 24.05.2023 11:48:17
 
Beschränkte Amtsermittlungspflicht des Gerichts im Falle einer durch die Krankenkasse unterlassenen MDK-Einzelfallprüfung
 

Unterlässt eine Krankenkasse die Beauftragung des MDK mit einer Einzelfallprüfung, kann es zwar einen später gerichtlich geltend gemachten Vergütungsanspruch eines Krankenhauses wirksam bestreiten und gerichtlich überprüfen lassen. Es besteht aber eine beschränkte Amtsermittlungspflicht des Gerichts. Dies führt dann zu einem Beweiserhebungs- und  Beweisverwertungsverbot. Insoweit darf ein Krankenhaus die an sich nach § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG gebotene Mitwirkung zur Aufklärung des Sachverhalts verweigern.

BSG, Urteil vom 22.06.2022, B 1 KR 19/21 R

– MDK-Prüfverfahren, unterlassene Einzelfallprüfung, beschränkte Amtsermittlungspflicht des Gerichts, Beweiserhebungs- und –Beweisverwertungsverbot , Beweiswürdigung–

Sehr geehrte Damen und Herren,

vorliegend hatte das BSG zu entscheiden, ob die von der Krankenkasse unterlassene Einzelfallprüfung zu einem Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot von Krankenunterlagen führt. Es hat dies bejaht, da in diesem Fall die Amtsermittlungspflicht des Gerichts beschränkt sei.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses und behandelte im Jahr 2018 einen Patienten mit einer bariatrischen Operation vollstationär. Die von der Klägerin in Rechnung gestellte Vergütung beglich die beklagte Krankenkasse nicht. Der Patient hatte bereits 2017 vergebens diese Leistung bei der Beklagten beantragt. Das angerufene Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Ob die vollstationäre Behandlung des Patienten erforderlich gewesen sei, lasse sich nicht feststellen. Mangels (fristgerechter) Einleitung eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V sei die Beklagte mit dem Einwand fehlender Erforderlichkeit der Operation und des stationären Aufenthalts ausgeschlossen. Die nur im Verhältnis zum Patienten bereits 2017 bestandskräftig ergangene Leistungsablehnung der Beklagten berühre den klägerischen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte nicht.

Das BSG hat die Revision der Beklagten gegen das LSG-Urteil zugelassen und die Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nach Ansicht des BSG zulässig und begründet. Das LSG habe im Ergebnis zu Recht angenommen, dass hier die bestandskräftige Ablehnung des vom Patienten im Jahr 2017 gestellten Kostenübernahmeantrages die Zahlungsverpflichtung der Beklagten nicht von vornherein ausschließe. Das BSG könne aber auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob der Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch zustehe. Dies erfordere Feststellungen dazu, ob die bariatrische Operation erforderlich gewesen sei.

Der Verzicht auf das Prüfverfahren schließe die Beklagte mit Einwänden gegen den Vergütungsanspruch nicht grundsätzlich aus, beschränke jedoch die Amtsermittlungspflicht des Gerichts und sei bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.

Eine Krankenkasse sei trotz der Nichtdurchführung eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs 1c SGB V von Rechts wegen nicht daran gehindert, das Vorliegen der Sachleistungsvoraussetzungen im konkreten Fall und damit den Vergütungsanspruch des Krankenhauses wirksam zu bestreiten und dies gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Beklagte sei dabei nicht verpflichtet gewesen, ein der Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V und den Ausschlussfristen der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB V gemäß § 17c Abs 2 KHG (PrüfvV 2016) unterliegendes Prüfverfahren durchzuführen.

Es obliege der Beurteilung der jeweiligen Krankenkasse, ob sie für die Prüfung der Abrechnung eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus für erforderlich erachte. Aus Sicht der Krankenkasse sei die Eröffnung eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs 1 Nr 1 i. V. m. Abs 1c SGB V nur erforderlich, wenn sie Fragen nach der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung oder der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht abschließend beantworten könne.

Dies sei dann der Fall, wenn die Krankenkasse zusätzlich zu den Abrechnungsdaten nach § 301 SGB V und ihren sonstigen Erkenntnissen weitere Unterlagen des Krankenhauses für erforderlich halte, die das Krankenhaus nach § 276 Abs 2 Satz 2 SGB V auf Anforderung zwar dem MDK übermitteln müsse, nicht aber der Krankenkasse. Ohne das Prüfverfahren nach der PrüfvV sei der Krankenkasse - vermittelt durch den MDK - und später dem Gericht lediglich der Zugriff auf die Behandlungsunterlagen des Krankenhauses verwehrt. Der Beklagten stehe es frei, den Vergütungsanspruch der Klägerin aus jeglichem Grund zu bestreiten und mit anderen Beweismitteln als den Behandlungsunterlagen der Klägerin zu widerlegen. Damit sei es u. a. zulässig, dass eine Krankenkasse, gestützt auf Erkenntnisse, die sie durch Befragung des Patienten, Informationen durch andere Behörden oder auf andere Art und Weise gewonnen habe, den Vergütungsanspruch ganz oder teilweise bestreite.

Bestehe nach dem Vortrag der Krankenkasse im Vergütungsstreit Anlass zu weiteren Ermittlungen, beschränke die Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V die grundsätzliche Pflicht der Sozialgerichte, über vergütungsrechtlich relevante Umstände der Krankenhausbehandlung Beweis zu erheben, dazu Behandlungsunterlagen des Krankenhauses beizuziehen und diese in der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, auf die von der Krankenkasse vorgetragenen Einwände. Das Vertrauen der Krankenhäuser in den zügigen Abschluss der Abrechnung sei besonders geschützt. Sie sollen nach Ablauf der 6-Wochen-Frist nicht mehr mit Prüfungen i. S. von § 275 Abs 1c Satz 4 SGB V rechnen müssen. Dieser Schutz solle auch nicht dadurch unterlaufen werden können, dass anstelle des Prüfverfahrens nach der PrüfvV die Sozialgerichte erstmals über medizinische Fragen zur Berechtigung des Vergütungsanspruchs entscheiden und dazu umfangreich Beweis erheben. Daraus ergebe sich ein Beweiserhebungsverbot, welches die Amtsermittlungspflicht des § 103 SGG begrenze. Bei unzulässiger Erhebung von Beweisen bestehe ein Beweisverwertungsverbot für Behandlungsunterlagen des Krankenhauses oder vergleichbare Erkenntnisse.

Insoweit bestehe für das Krankenhaus ein Recht zur Verweigerung der an sich nach § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG gebotenen Mitwirkung zur Aufklärung des Sachverhalts.

Die sich aus der berechtigten Verweigerung der Mitwirkung ergebende Beweisnot des Krankenhauses sei durch Beweiserleichterungen bis zur Umkehr der Beweislast zu begegnen. Aufgrund der Beweiserleichterungen zugunsten des Krankenhauses ergeben sich für die Krankenkassen gesteigerte Darlegungsanforderungen. Bleiben relevante Tatsachen für die von der Krankenkassen erhobenen Einwände unaufklärbar, gehen verbleibende Zweifel zu ihren Lasten.

Anmerkungen

Mit dieser Entscheidung hat das BSG die Rechtsposition der Krankenhäuser gestärkt. Die unterlassene Einzelfallprüfung führt zu einem Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot   von Krankenunterlagen und zur Beschränkung der Amtsermittlungspflicht des Gerichts.

Bei der Übersendung von Krankenunterlagen an das Gericht sollte bei fehlender Einzelfallprüfung  von Seiten des Krankenhauses sorgfältig geprüft werden, ob dies sachdienlich ist. Gegebenenfalls sollte man sich auf das Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot berufen oder einen ausdrücklichen Vorbehalt erklären.

  Datum: 17.05.2023 11:20:29
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Ein Krankenhaus hat den sachlichen Grund einer notwendigen Verlegung im Streitfall darzulegen und nachzuweisen, wenn es nicht die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs der Krankenkasse riskieren will
 

Eine Verlegung kann trotz der damit verbundenen Vergütungsabschläge zu höheren Gesamtbehandlungskosten für die Krankenkasse führen. Deshalb bedarf es hierfür eines sachlichen Grundes, den das Krankenhaus im Streitfall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Als sachliche Gründe kommen vor allem in Betracht: Zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Versicherten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Abs. 1 KHG). Liegt kein sachlicher Grund für die Verlegung vor, kann ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit§ 280 Absatz 1 BGB wegen einer Verletzung der sich aus § 12 Absatz 1 und § 109 Absatz 4 Satz 2 SGB V sowie § 17c Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 KHG ergebenden Pflichten des Krankenhauses in Betracht kommen.

BSG, Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 4/22 R

– Verlegung, Darlegungs- und Beweislast, Pflichtverletzung von § 17c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KHG, Schadensersatzanspruch nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB, mehrstufiges Krankenhausversorgungssystem –

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach dieser Entscheidung des BSG trifft das Krankenhaus die Darlegungs- und Beweislast für den sachlichen Grund einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus. Im vorliegenden Fall zieht das BSG sogar einen Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB wegen einer eventuell ungerechtfertigten Verlegung in Betracht.

Sachverhalt

Das klagende Universitätsklinikum behandelte die Patientin im Mai 2017 vollstationär. Am 18. Mai 2017 wurde sie aus dem Universitätsklinikum in ein wohnortnahes Krankenhaus verlegt und dort noch bis zum 26. Mai 2017 stationär weiterbehandelt. Das Universitätsklinikum stellte der beklagten Krankenkasse für die Behandlung der Patientin 4.319,55 Euro in Rechnung und berücksichtigte dabei einen Verlegungsabschlag in Höhe von 1.657,48 Euro. Das wohnortnahe Krankenhaus berechnete für die eigene stationäre Behandlung der Versicherten 2.806,57 Euro. Die Krankenkasse beglich die Rechnung des Universitätsklinikums und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit der Durchführung eines Prüfverfahrens. Im Ergebnis dieser Prüfung rechnete die Krankenkasse 1.147,76 Euro mit einer anderen unstrittigen Forderung des Universitätsklinikums auf. Zur Begründung der Aufrechnung machte sie geltend, die Verlegung sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Die Patientin hätte im Universitätsklinikum bis zur Entlassung weiterbehandelt werden können und müssen. Dann hätte sie (die Krankenkasse) insgesamt für die stationäre Behandlung in den beiden Krankenhäusern 1147,76 Euro weniger vergüten müssen.

Das Sozialgericht hat die Krankenkasse zur Zahlung von 1.447,76 Euro (1.147,76 Euro zuzüglich 300 Euro Aufwandspauschale) nebst Zinsen verurteilt. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Krankenkasse zurückgewiesen. Die Krankenkasse habe weder einen öffentlich-rechtlichen Erstattungs- noch einen Schadensersatzanspruch. Sie könne nicht geltend machen, die Verlegung in das wohnortnahe Krankenhaus sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Für einen solchen Einwand gebe es in den Abrechnungsbestimmungen keine Rechtsgrundlage.

Das BSG hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG ist der Ansicht, dass hier ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB wegen einer Verletzung der sich aus § 12 Absatz 1 und § 109 Absatz 4 Satz 2 SGB V sowie § 17c Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 KHG in Betracht kommen könnte.

Eine Verlegung führe regelmäßig zu höheren Gesamtbehandlungskosten für die Krankenkasse. Eine Verlegung bedürfe daher eines sachlichen Grundes, den das Krankenhaus im Streitfall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen habe. Als sachliche Gründe für eine Verlegung kommen zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Absatz 1 KHG) in Betracht.

Sollte ein Schadensersatzanspruch zu bejahen sein, wäre die Krankenkasse auch nicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale verpflichtet.

Ob vorliegend ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen das Universitätsklinikum bestehe, könne das BSG auf der Grundlage der vom Landessozialgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Es kam daher zur Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Anmerkungen

Gegenwärtig liegt nur der Terminbericht des BSG-Urteils vor. Diese Entscheidung macht jedoch die besondere Bedeutung eines sachlichen Grundes für die Verlegung deutlich. Dies können u. a. zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten aber auch übergeordnete Gründe gemäß § 1 Abs. 1 KHG sein. In einem mehrstufigen Krankenhausversorgungssystem kann nach dem BSG-Urteil die Verlegung aus einem Krankenhaus einer höheren Stufe (z. B. Maximalversorger) in ein Krankenhaus einer niedrigeren Stufe (z. B. Grundversorger) gerechtfertigt sein, wenn und soweit die besonderen Mittel des Krankenhauses der höheren Stufe für die Behandlung nicht mehr notwendig sind und die dortigen Versorgungskapazitäten für andere Patienten benötigt werden. Nach meiner Auffassung kommt dem letzten, vom BSG angeführten Grund zur Verlegung besondere Bedeutung zu.

  Datum: 11.05.2023 08:31:31
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Die Kodierung von Prozeduren knüpft an den jeweils definierten Eingriff an
 

Die Kodierung von Prozeduren knüpft an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff an und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel. Dabei ist jeder durchgeführte Eingriff möglichst mit einem OPS-Kode abzubilden. Hierbei ist zwischen Prozeduren und Prozedurenkomponenten (als unselbstständige Bestandteile einer Prozedur) zu unterscheiden.

BSG, Urteil vom 24.01.2023, B 1 KR 6/22 R

– Kodierung von Prozeduren, DKR P001f , Behandlungsziel, durchgeführter Eingriff, Prozedurenkomponente, Abgrenzung Prozedurenkomponenten zu Prozeduren –

Sehr geehrte Damen und Herren,

in dieser Entscheidung hat sich das BSG detailliert mit dem Wortlaut der DKR P001f auseinandergesetzt, um die Bedeutung des Ziels bzw. des durchgeführten Eingriffs bei der Kodierung einer Prozedur herauszuarbeiten. 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses und behandelte im Jahr 2016 einen Patienten. Zur Verbesserung der Nasenatmung begradigten die Ärzte die Nasenscheidenwand, entfernten einen Teil des in die Nasenhöhle ragenden Oberkieferknochens, verkleinerten beidseits die untere Nasenmuschel und verlagerten diese. Die Klägerin kodierte bei der Abrechnung u. a. den OPS 5-214.6 (Plastische Korrektur des Nasenseptums mit Resektion) und 5-771.10 (Resektion eines Gesichtsschädelknochens, partielle Maxilla, ohne Rekonstruktion). Nach Einholung eines MDK-Gutachtens verrechnete die beklagte Krankenkasse einen Teilbetrag. Die Teilresektion des Knochens sei integraler Bestandteil des OPS 5-214.6 und als Prozedurenkomponente nicht gesondert zu kodieren.

Das angerufene Sozialgericht hat die Zahlungsklage der Klägerin abgewiesen. Das LSG hat diese Entscheidung aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Das Krankenhaus der Klägerin habe für die partielle Maxillektomie den OPS 5-771.10 kodieren dürfen. Nach den ärztlichen Stellungnahmen sei die Abtragung des Knochensporns nicht zwingender Bestandteil der Operation an der unteren Nasenmuschel. Es handele sich daher um eine eigenständige Prozedur und nicht lediglich um die Komponente einer anderen Prozedur.

Das BSG hat die  Revision der beklagten Krankenkasse gegen das LSG-Urteil zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG ist der Auffassung, dass das LSG zutreffend entschieden habe, wonach das klägerische Krankenhaus für die durchgeführte Abtragung des Knochensporns am Kieferknochen (partielle Maxillektomie) den OPS 5-771.10 habe kodieren dürfen.

Bei der Maxillektomie handele es sich um eine kodierfähige Prozedur. Im Zusammenhang mit einer Nasenscheidenwandkorrektur und einer Verkleinerung der Nasenmuscheln sei sie als signifikante Prozedur gesondert zu verschlüsseln. Sie sei keine unselbständige Prozedurenkomponente.

Die Kodierung von Prozeduren knüpfe nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff an und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel. Es sei weder jeder einzelne Handgriff zu kodieren noch werden alle zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlichen Maßnahmen insgesamt in einem OPS-Kode zusammengefasst. Jeder durchgeführte Eingriff sei möglichst mit einem OPS-Kode abzubilden. Es seien grundsätzlich „alle signifikanten Prozeduren“ zu kodieren. Nicht gesondert zu kodieren seien in der Regel Komponenten einer Prozedur (DKR P001f).

Die partielle Maxillektomie stelle eine signifikante Prozedur im Sinne der DKR P001f dar und sei mit dem Kode 5-771.1** im OPS abgebildet. Die hiernach ergebene Kodierfähigkeit der partiellen Maxillektomie sei dabei nicht nach der DKR P001f ausgeschlossen, da sie nicht nur Teil einer anderen durchgeführten Prozedur sei (Prozedurenkomponente).

Nach dem Wortlaut der DKR P001f werde eine Prozedur „vollständig mit all ihren Komponenten“ beschrieben. Prozeduren seien nach dem Wortsinn Behandlungsverfahren, d. h. Verfahrensweisen, die sich jeweils aus einer Mehrzahl von Verfahrensschritten oder Verfahrenselementen zusammensetzen. Welche Schritte und Elemente dies seien, richte sich nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Prozedurenkomponenten seien unselbstständige Bestandteile einer Prozedur. Nach dem Wortsinn sei eine Komponente ein Bestandteil eines Ganzen. Sie könne beschrieben werden als Ausschnitt, Baustein, Bestandteil, Glied, Segment oder Teilelement der medizinischen Verfahrensweise. Die Abgrenzung erfolge jeweils bezogen auf den medizinischen Einzelfall. Nach dem Wortlaut der DKR P001f sei eine eingriffsverwandte diagnostische Maßnahme „ebenso“ nicht gesondert zu kodieren, wenn sie „regelhaft Bestandteil“ der Eingriffsprozedur sei. Aus dem Wort „ebenso“ ergebe sich, dass dies in gleicher Weise allgemein für Prozeduren mit regelhaften Komponenten auch dann gelte, wenn die regelhafte Komponenten grundsätzlich auch als eigenständige Prozeduren kodiert werden können. Dies stehe im Einklang mit der Regelung in DKR P001f, dass individuelle Komponenten – also auch regelhafte Komponenten – einer bereits kodierten Prozedur nicht noch einmal gesondert verschlüsselt werden. Was regelhafter Bestandteil einer im OPS benannten Prozedur sei, könne sich nur nach den Regeln der ärztlichen Kunst bestimmen, soweit die Kodierregeln und der OPS keine ausdrücklichen Vorgaben machen.

Die durchgeführte partielle Maxillektomie war eine eigenständig zu kodierende Maßnahme und nicht nur Teil einer anderen durchgeführten Prozedur. Sie war nach den Regeln der ärztlichen Kunst weder regelhafter Bestandteil der Nasenseptum-Korrektur noch der Operationen an der unteren Nasenmuschel.

Anmerkungen

Das BSG hat nunmehr klargestellt, dass nicht das Ziel oder der Zweck bei der Kodierung einer Prozedur entscheidend ist, sondern der vom jeweiligen OPS-Kode definierte Eingriff. Durch dieses Urteil gibt das BSG Hinweise für das korrekte Vorgehen bei der Kodierung von Prozeduren und zur Abgrenzung zu Prozedurenkomponenten.

  Datum: 09.05.2023 11:41:34
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Ausschluss eines Anspruchs auf Aufwandspauschale
 

Es besteht kein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V, wenn das Prüfverfahren durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses veranlasst worden ist. Ein solcher Anspruch scheidet aus, wenn das Krankenhaus seine Pflicht verletzt, auf Verlangen der Krankenkasse eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung zu geben und es dadurch das Prüfverfahren veranlasst hat.

BSG, Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 11/22 R

– Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V, Fehlverhalten eines Krankenhauses, Verlangen einer medizinischen Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung, Veranlassung des Prüfverfahrens, Datenschutz –

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG hat seine bisherige Rechtsprechung zum Ausschluss des Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale aufgrund eines Fehlverhaltens eines Krankenhauses bestätigt. Unter einem derartigen Fehlverhalten versteht das BSG nun auch die Fallgestaltung, dass das Krankenhaus dem Verlangen der Krankenkasse nicht nachkommt, eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abzugeben und dadurch die Prüfung veranlasst wurde.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin der beklagten Krankenkasse im Dezember 2019 stationär. Im Januar 2020 rechnete das Krankenhaus die Behandlung ab. Im Februar 2020 bat die Krankenkasse um eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer. Das Krankenhaus gab an, der Zustand der Patientin sei aus medizinischer Sicht noch nicht gut genug gewesen, um eine Entlassung vornehmen zu können. Weitere Details dürften aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht in dieser Form erörtert werden. Hierfür stehe der Krankenkasse das Prüfungsverfahren (§§ 275 ff SGB V) zur Verfügung.

Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung beglich die Krankenkasse die Rechnung des Krankenhauses in voller Höhe. Die Forderung des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale wies die Krankenkasse jedoch mit der Begründung zurück, sie habe auf ihre Anfrage hin keine medizinischen Informationen erhalten. Die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sei daher durch das Krankenhaus veranlasst worden.

Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben und die Krankenkasse zu Zahlung von 300 Euro nebst Verzugszinsen verurteilt. Auf die Berufung der Krankenkasse hat das Landessozialgericht die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale scheide aus. Die Klägerin habe durch ihre Weigerung, auf Anfrage eine medizinische Begründung wegen Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abzugeben, Anlass für die Beauftragung des MD gegeben. Die Krankenkasse habe ihrerseits nicht treuwidrig gehandelt.

Das BSG hat die Revision der Klägerin gegen das LSG-Urteil zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale scheide laut dem BSG aus, wenn das Krankenhaus seine Pflicht verletzt habe, auf Verlangen der Krankenkasse eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung zu geben und es dadurch das Prüfverfahren veranlasst habe. Die Krankenkasse sei nach § 301 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB V berechtigt gewesen, bei Überschreiten der voraussichtlichen Verweildauer vom Krankenhaus eine medizinische Begründung zu verlangen. Hieraus ergebe sich die entsprechende Pflicht des Krankenhauses. Weder die Kürze der Frage, noch Beschränkungen der elektronischen Übermittlungsmöglichkeit noch Gründe des Datenschutzes rechtfertigten die Nichtangabe der medizinischen Begründung. Der Krankenkasse sei es nicht wegen eines eigenen Fehlverhaltens verwehrt, sich auf die Pflichtverletzung des Krankenhauses zu berufen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, vor Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einen Kurzbericht vom Krankenhaus einzuholen. Sie habe auch nicht wegen fehlender Fälligkeit der Vergütungsforderung von der Beauftragung des Medizinischen Dienstes  absehen und das Risiko eines gerichtlichen Verfahrens eingehen müssen.

Anmerkungen

Gegenwärtig liegt der Terminsbericht vor. Danach müssen die Krankenhäuser auf Verlangen der Krankenkasse eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abgeben. Dies geht aus § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V verpflichtend hervor. Andernfalls verlieren sie ihren Anspruch auf die Aufwandspauschale, wenn durch dieses Fehlverhalten die Prüfung veranlasst wurde.

  Datum: 04.05.2023 08:16:59
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Versorgungsbedarfsprüfung für eine nicht an das Krankenhaus angebundene PIA nach § 118 Abs. 4 SGB V
 

Beim Ermächtigungsantrag auf Betrieb einer- nicht an das Krankenhaus angebundenen- psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) nach § 118 Abs. 4 i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 SGB V  müssen konkrete Angaben zum bestehenden Versorgungsbedarf für diesen Patientenkreis gemacht werden. Insoweit ist eine Versorgungsbedarfsprüfung erforderlich.

BSG, Urteil vom 29.06.2022, B 6 KA 3/21 R

-Nicht an ein Krankenhaus angebundene  PIA, Ermächtigung gem. § 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V, Versorgungsbedarfsprüfung-

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Antrag auf Ermächtigung eines Betriebes einer nicht an ein Krankenhaus angebundenen  psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) nach § 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V hat das BSG festgestellt, dass konkrete Angaben zum Versorgungsbedarf erforderlich sind. Dies setze eine Versorgungsbedarfsprüfung voraus.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses für Psychiatrie und Neurologie einschließlich einer PIA. Ihr Antrag zum Betrieb einer weiteren PIA auf der Grundlage von § 118 Abs. 4 SGB V  in einer Wohneinrichtung für psychisch beeinträchtigte Menschen wurde vom Zulassungsausschuss nach Durchführung der Bedarfsabfrage abgelehnt. Der Antrag des Krankenhauses bezog sich auf diejenigen Patienten, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihre Erkrankung auf die Behandlung in einer PIA angewiesen sind (§ 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V). Der beklagte Berufungsausschuss wies den klägerischen Widerspruch hiergegen zurück, da die Ermächtigung nicht notwendig sei. Es bestünden bereits entsprechende Versorgungsangebote.

Die erst- und zweitinstanzlichen Klagen blieben erfolglos. Der Bedarf der Bewohner der Wohneinrichtung sei durch die bereits bestehenden PIAs sichergestellt. Die Klägerin könne nicht damit gehört werden, dass es den Bewohnern krankheitsbedingt nicht zumutbar sei, die bestehenden PIAs alleine aufzusuchen.

Die klägerische Revision hat das BSG nunmehr zurückgewiesen, da die Vorinstanzen die Erteilung der Ermächtigung zur Recht verneint hätten.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 118 Abs. 4 SGB V sind Krankenhäuser vom Zulassungsausschuss auch dann zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung zu ermächtigen, wenn die Versorgung durch räumlich und organisatorisch nicht angebundene Einrichtungen der Krankenhäuser erfolge, soweit und solange die Ermächtigung notwendig sei, um eine Versorgung sicherzustellen. Die setze eine Versorgungsbedarfsprüfung zwingend voraus.

Vorliegend handelt es sich um schwer psychisch erkrankte Patientinnen und Patienten, die von dem Angebot der niedergelassenen Ärzte regelmäßig nicht erreicht werden. Für die Versorgungsbedarfsprüfung sei maßgeblich, ob das Angebot der bereits ermächtigten PIAs ausreiche, einen bestehenden Bedarf dieser Patientinnen und Patienten zu decken.

Hier haben die Zulassungsgremien davon ausgehen dürfen, dass hinreichende Kapazitäten in den eigenen Einrichtungen der Klägerin vorhanden seien. Die Zulassungsgremien überschreiten daher – soweit auch die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV sichergestellt sei – ihren Beurteilungsspielraum im Regelfall nicht, wenn sie die Ablehnung einer Ermächtigung nach § 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V damit begründen, dass Behandlungsmöglichkeiten in anderen, weniger als 25 Kilometer vom Wohnort der potentiellen Patienten entfernten Institutsambulanzen bestehen. Eine zeitliche Unzumutbarkeit sei erst bei einer Fahrzeit von über 1 Std. gegeben.

Anmerkung

Die Grundsatzentscheidung des BSG gibt konkrete Hinweise zur Versorgungsbedarfsprüfung, die im Rahmen des § 118 Abs. 4 SGV V erfolgen muss.  So sollten, soweit bekannt, alle verfügbaren Informationen zu fehlenden Behandlungskapazitäten schon im Verwaltungsverfahren vorgetragen werden, insbesondere sollte dargelegt werden, dass bestehende PIAs den Versorgungsbedarf nicht abdecken können. Ergänzend wird es erforderlich sein, dass der Zulassungsausschuss  abfragt, ob bei bestehenden PIAs im Umfeld freie Kapazitäten bestehen oder die Möglichkeit gegeben ist, das Behandlungsangebot auszuweiten. Hierfür sind nur reale, nicht dagegen potenzielle Versorgungsangebote zu berücksichtigen.

§ 118 Abs. 1 Satz 2 SGB V enthält zwei unterschiedliche Tatbestände. Die erste Alternative bezieht sich auf die Patientinnen und Patienten, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihre Erkrankung auf eine PIA angewiesen sind. Die zweite Alternative bezieht sich auf Patientinnen und Patienten, die wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärzten auf eine Behandlung in einer PIA angewiesen sind. Von den Krankenhäusern ist daher im Vorfeld zu prüfen, auf welche Alternative der Antrag auszurichten ist. Der Antrag kann sich auch auf beide Alternativen beziehen.

  Datum: 02.05.2023 09:30:48
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Qualitätsgebot bei der Implantation von Coils
 

Die Einlage von Coils zur Behandlung eines Lungenemphysems entsprach im Jahr 2016 als neue Behandlungsmethode (noch) nicht dem gesetzlichen Qualitätsgebot. Ein evidenzgestützter Konsens einer großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute über diese Methode lag noch nicht vor. Auch fehlte ein entsprechender Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses. In Betracht kommt jedoch ein Vergütungsanspruch für Potentialleistungen aus § 137 c Abs. 3 SGB V.

BSG, Urteil vom 13.12.2022, B 1 KR 33/21 R

- Coils-Implantation, allgemeines Qualitätsgebot, Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebots, Potentialleistungen, Vergütungsanspruch aus § 137c Abs. 3 SGB V –

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach der Auffassung des BSG entsprach die Einlage von Spiralen in die Lunge (sog. Coils) zur bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion im Jahr 2016 noch nicht den allgemeinen Qualitätsanforderungen des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V, weil hinsichtlich dieser Methode zur Behandlung eines Lungenemphysems noch kein Konsens der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute bestand.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall wurden einem Patienten im klagenden Krankenhaus im Jahr 2016 zur Behandlung einer schwerstgradig chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung mit funktional relevantem Lungenemphysem Coils in die Lunge implantiert. Die beklagte Krankenkasse verweigerte hierbei die vollständige Vergütung.

Das angerufene Sozialgericht hat der Klage auf Zahlung der vollständigen Vergütung stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte dann ein Teilanerkenntnis abgegeben. Das zuständige Landessozialgericht hat die übrige Klage jedoch abgewiesen, da die Implantation von Coils nicht dem allgemeinen Qualitätsgebot entsprochen habe.

Hiergegen richtete sich nun die Revision der Klägerin. Das BSG hat der Revision stattgegeben, das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache an das Landessozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG ist der Auffassung, dass es nicht abschließend darüber entscheiden könne, ob die Implantation von Coils im konkreten Fall zu vergüten ist.

Ein Vergütungsanspruch setze grundsätzlich voraus, dass die Behandlung – hier die Implantation von Coils – dem maßgeblichen Qualitätsgebot entsprochen habe.

Die Behandlungsmethode sei im Zeitpunkt der Behandlung im Jahr 2016 zwar nicht durch einen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) vom GKV-Leistungskatalog ausgenommen worden, der Patient habe aber auch keinen Anspruch auf die Versorgung aufgrund einer Richtlinie des GBA gehabt.

Der Beschluss des GBA vom 20.12.2018 finde vorliegend keine Anwendung, weil die dortige Richtlinie erst nach der streitgegenständlichen Behandlung in Kraft getreten sei. Mit diesem Beschluss hatte der GBA die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Einlage von Coils beim schweren Lungenemphysem mit einem pulmonalen Residualvolumen von mindestens 225 % vom Soll in die Anlage I der Richtlinie „Methoden Krankenhausbehandlung“ aufgenommen.

Laut dem BSG habe die Anwendung von Coils beim schweren Lungenemphysem im Behandlungszeitpunkt nicht den allgemeinen Qualitätsanforderungen des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V und auch nicht dem Maßstab grundrechtsorientierter Leistungsauslegung nach § 2 Abs. 1a SGB V genügt.

Nach § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Dies erfordere für die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden den vollen Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute.

Diesem Maßstab habe die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Einlage von Coils im Jahr 2016 nicht entsprochen.

In Betracht komme aber ein Anspruch nach Maßgabe des § 137c Abs. 3 SGB V, der das allgemeine Qualitätsgebot partiell einschränke. An die Stelle des allgemeinen Qualitätsgebots trete dort der Potentialmaßstab. Über den Anspruch könne das BSG aber mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

Gemäß § 137c Abs. 3 SGB V dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der GBA bisher keine Entscheidung getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Patienten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig sind. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung noch nicht abgeschlossen ist.

Anmerkungen

Durch dieses Urteil hat das BSG Klarheit über die Beurteilung der Implantation von Coils im Jahr 2016 geschaffen. Als Vergütungsanspruch kommt insoweit der Anspruch aus § 137 c Abs. 3 SGB V für Potentialleistungen in Betracht. Dieser schränkt das allgemeine Qualitätsgebot partiell ein. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich bei der neuen Methode um eine erforderliche Behandlungsalternative handelt. Solange eine Standardtherapie zur Verfügung steht, ist dies nicht der Fall.

  Datum: 06.04.2023 09:15:01
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Voraussetzungen zum Betrieb einer „isolierten PIA“ nach § 118 Abs. 4 SGB V
 

Der Antrag auf Ermächtigung zum Betrieb einer isolierten psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) nach § 118 Abs. 4 SGB V darf nicht deshalb zurückgewiesen werden, weil keine Ausweisung des geplanten Standortes im Krankenhausplan vorliegt.

BSG, Urteil vom 29.06.2022, B 6 KA 13/21 R

- PIA, Ermächtigung gem. § 118 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V, keine räumliche Anbindung –

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Antrag auf Ermächtigung eines Betriebes einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) hat das BSG erläutert, dass eine fehlender räumliche Anbindung an ein Krankenhaus oder eine Tagesklinik für die Frage der Ermächtigung unwesentlich ist. Somit ist auch eine „isolierte PIA“ ermächtigungsfähig.

Sachverhalt

Die klagende Trägerin eines Krankenhauses betrieb an drei Standorten u. a. psychiatrische Kliniken und den Kliniken angeschlossene psychiatrische Tageskliniken. An allen Standorten wurden auch psychiatrische Institutsambulanzen (PIAs) betrieben. Der geplante Standort für eine weitere PIA war jedoch nicht für die Klägerin als Krankenhausstandort im Krankenhausplan erfasst.

Der Antrag der Klägerin, ihr die Ermächtigung zum Betrieb einer weiteren PIA als Außenstelle zu erteilen, lehnte der Zulassungsausschuss mit der Begründung ab, dass es an der erforderlichen Aufnahme des entsprechenden Standortes in den Krankenhausplan fehle. Der beklagte Berufungsausschuss wies den klägerischen Widerspruch hiergegen zurück. Eine Ermächtigung könne nur erteilt werden, wenn im Krankenhausplan an dem Standort der PIA auch eine Außenstelle des Krankenhauses aufgenommen sei.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht hat auf die Berufung der Klägerin hin den Beschluss des Beklagten aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Laut dem Landessozialgericht könne nach § 118 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V eine psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung durch eine PIA als Außenstelle auch dann erfolgen, wenn die Institutsambulanz nicht räumlich und organisatorisch an das betreibende Krankenhaus angebunden sei.

Die Revision des Beklagten hat das BSG zurückgewiesen, da das Landessozialgericht den Beschluss zu Recht aufgehoben und den Beklagten zu Recht zur Neubescheidung verurteilt habe.

Entscheidungsgründe

Das BSG vertritt die Auffassung, dass die Ermächtigung zum Betrieb einer PIA auch bei fehlender räumlicher Anbindung an ein Krankenhaus oder eine Tagesklinik möglich sei. Die Rechtsgrundlage der Ermächtigung zum Betrieb einer PIA ergebe sich aus § 118 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V. Die geplante PIA am streitgegenständlichen Standort erfülle zwar selbst nicht die Voraussetzungen für eine Ermächtigung gem. § 118 Abs. 1 S. 1 SGB V. So handele es sich hierbei weder um ein Krankenhaus im Sinne des § 107 Abs. 1 SGB V noch bestehe ein räumlicher Zusammenhang mit weiteren Kliniken oder betriebenen Tageskliniken.

Gemäß § 118 Abs. 4 SGB V seien Krankenhäuser vom Zulassungsausschuss aber dann zur ambulant psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung zu ermächtigen, wenn die Versorgung durch räumlich und organisatorisch nicht angebundene Einrichtungen der Krankenhäuser erfolge, soweit und solange die Ermächtigung notwendig sei, um eine Versorgung sicherzustellen.

Ein rechtlicher Anknüpfungspunkt dafür, dass eine Ermächtigung nach § 118 Abs. 4 SGB V von der Ausweisung einer existierenden stationären Einrichtung der Klägerin am geplanten Standort im Krankenhausplan abhängen könne, lasse sich dem Krankenhausfinanzierungsgesetz oder den landesrechtlichen Vorschriften der Krankenhausplanung nicht entnehmen.

Eine solche Anforderung ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus der Gesetzesentwicklung oder dem Sinn und Zweck der Ermächtigung von Institutsambulanzen.

So sei die fehlende räumliche Anbindung an das Krankenhaus zwar Voraussetzung einer Ermächtigung gem. § 118 Abs. 4 SGB V. Dem Wortlaut sei aber nicht zu entnehmen, dass sich die räumliche Entfernung lediglich auf den Hauptstandort des Krankenhauses beziehen würde. Auch die Formulierung „organisatorisch nicht angebunden“ weise in die gleiche Richtung.

Schließlich könne auch dem Begriff „Einrichtungen der Krankenhäuser“ aus § 118 Abs. 4 SGB V nicht entnommen werden, dass die Einrichtung, durch welche ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Leistungen erbracht werden, nur eine im Krankenhausplan berücksichtigte Einrichtung sein könne, in der bereits (teil-) stationäre Leistungen erbracht werden. Ein „Einrichtung“ könne somit auch eine „isolierte PIA“ sein.

Ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, wonach am geplanten Standort der PIA bereits eine im Krankenhausplan ausgewiesene stationäre Einrichtung existieren müsse, lasse sich der Gesetzeshistorie nicht entnehmen. Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Versorgungsverbesserung spreche vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber im Falle eines festgestellten Versorgungsbedarfs gerade auch einer PIA ohne jegliche Anbindung an ein Krankenhaus der vollstationären Versorgung oder an eine autonome Tagesklinik einen Anspruch auf Ermächtigung gewähren wolle.

Anmerkungen

Das BSG hat klargestellt, dass auch eine sogenannte „isolierte PIA“ möglich ist. Demnach kann ein Antrag auf Ermächtigung des Betriebs einer PIA nicht mit dem Argument zurückgewiesen werden, dass es an der räumlichen Anbindung der PIA an ein Krankenhaus oder eine Tagesklinik fehlt. Einer Ausweisung der „isolierten PIA“ im Krankenhausplan sei nicht erforderlich.

Mit dieser Entscheidung hat das BSG die besondere Bedeutung der PIA- insbesondere auch einer „isolierten PIA“ nach § 118 Abs. 4 SGB V - und ihren Auftrag zur ambulanten Behandlung von Patienten mit schweren Krankheitsbildern (wie schizophrenen Psychosen, Suchterkrankungen und psychischen Alterskrankheiten) dargelegt, die in der Vergangenheit oftmals nur unzureichend oder gar nicht ambulant medizinisch versorgt wurden. Die ambulante Behandlung solcher Patienten wurde damit gesichert und weiter gestärkt.

  Datum: 31.03.2023 10:53:49
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Voraussetzungen der Anerkennung als Hochschulambulanz und der Vergütung
 

Eine mit einer Universität kooperierende Ambulanz muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um als Hochschulambulanz im Sinne von § 117 Abs. 1 S. 1 SGB V gelten zu können. Hierzu zählt, dass sie organisatorisch, sachlich und personell in der Lage sein muss, den mit Forschung und Lehre verbundenen Zweck einer Hochschulambulanz zu erfüllen und gleichzeitig die Untersuchung und Behandlung von Patienten mit auch komplexen Krankheitsbildern sicherzustellen. Dabei sei laut dem BSG unverzichtbar, dass die wissenschaftlich-medizinische Leitung der kooperierenden Einrichtung durch eine Person erfolge, die den entsprechenden Lehrstuhl der Hochschule innehabe.

BSG, Urteil vom 17.11.2022, B 6 KA 9/21 R

– Hochschulambulanz gem. § 117 Abs. 1 S. 1 SGB V, Vergütungsgrundsätze,  Grundsatz der Beitragssatzstabilität, Aufgaben der Schiedsstelle –

Sehr geehrte Damen und Herren,

in dieser Entscheidung beleuchtet das BSG, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um eine Hochschulambulanz im Sinne von § 117 Abs. 1 S. 1 SGB V annehmen zu dürfen. Hierbei betont das BSG die besondere Bedeutung von Hochschulkliniken für die Forschung und Lehre.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses und betreibt dort Ambulanzen auf den Gebieten der Orthopädie und Rheumatologie in Kooperation mit einer Universität. Mit einer Vergütungsvereinbarung aus dem Jahr 2017 wurde bezüglich der Vergütung für die Untersuchung und Behandlung der Patienten eine einheitliche Fallpauschale von 84,50 € bei 15.500 Fällen kalenderjährig vereinbart.

Nach dem Scheitern der Vergütungsvereinbarungen für die Jahre 2018 und 2019 beantragte die Klägerin bei der beklagten Schiedsstelle die Festsetzung getrennter (höherer) Fallpauschalen.

Die beigeladenen Krankenkassen traten dem entgegen. Gründe für Kostenänderungen seien nicht dargelegt worden. Die geforderte Vergütung liege auch weit über der Vergütungshöhe, die für das Jahr 2018 mit anderen vergleichbaren Hochschulambulanzen vereinbart worden sei.

Die Beklagte setzte wegen der Bindung an den Grundsatz der Beitragsstabilität eine geringere Fallpauschale fest.

Das erstinstanzlich zuständige Landessozialgericht hob den von der Klägerin angegriffenen Schiedsspruch der Beklagten auf und verpflichtete die Beklagte über den klägerischen Antrag neu zu entscheiden. Die Beigeladenen erhoben hiergegen Revision vor dem BSG. Das BSG hat die Entscheidung des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG ist der Auffassung, dass zunächst das Landessozialgericht feststellen müsse, ob es sich bei der streitgegenständlichen Ambulanz um eine Hochschulambulanz handele. Dies sei im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs inzident zu prüfen.

Ob das Landessozialgericht den Status einer Hochschulambulanz Orthopädie zur Recht angenommen habe, lasse sich anhand der von ihm getroffenen Feststellungen nicht überprüfen.

Hochschulambulanzen werden in § 117 Abs. 1 S. 1 SGB V legal definiert als Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken. Hochschulkliniken seien Krankenhäuser, die gemäß § 108 Nr. 1 SGB V nach landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt seien. Dazu zähle das Klinikum der mit dem klägerischen Krankenhaus kooperierenden Universität, welches als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben werde. Denn in der Errichtung einer Hochschulklinik nach Maßgabe des jeweiligen Hochschul- oder Hochschulklinikgesetzes des Landes liege regelmäßig ihre Anerkennung nach dem Landesrecht im Sinne des § 108 Nr. 1 SGB V.

Von der Anerkennung des Universitätsklinikums durch das Landesrecht zu unterscheiden sei jedoch die Frage, ob eine konkrete Einrichtung Teil der Hochschulklinik sei und damit die dort betriebene Ambulanz als Hochschulambulanz im Sinne des § 117 Abs. 1S. 1 SGB V anzusehen sei.

Eine Ambulanz könne dabei auch dann eine Hochschulambulanz sein, wenn der rechtsfähige Träger nicht die Hochschulklinik selbst, sondern eine dritte, mit der Hochschulklinik vertraglich verbundene juristische Person sei.

Sollen die ärztlichen Leistungen einer Hochschulambulanz in Kooperation mit einem Krankenhaus erbracht werden, müsse die kooperierende Einrichtung jedoch gewissen Mindestanforderungen genügen, um den Aufgaben einer Hochschulambulanz gerecht zu werden.

Sie müsse organisatorisch, sachlich und personell in der Lage sein, den mit Forschung und Lehre verbundenen Zweck einer Hochschulambulanz im erforderlichen Umfang zu erfüllen und auf fachärztliche Überweisungen die Untersuchung und Behandlung von Patienten mit schweren und komplexen Krankheitsbildern oder seltenen Erkrankungen sicherzustellen.

Zugleich sei es unverzichtbar, dass die wissenschaftliche-medizinische Leitung der kooperierenden Einrichtung durch eine Person erfolge, die den Lehrstuhl der Hochschule innehabe. Diese Person müsse in ihrer Funktion als Lehrstuhlinhaber/-in die Leitungskompetenz haben und Gesamtverantwortung in fachlich-medizinischer Hinsicht in der Hochschulambulanz tragen. Dies erfordere, dass die Person selbst keinen medizinisch-fachlichen Weisungen des Trägers der Einrichtung unterliege und als leitende Person der Fachambulanz der Hochschulklinik das Weisungsrecht nicht nur gegenüber dem wissenschaftlichen, sondern auch gegenüber dem in der Krankenversorgung tätigen Personal in dem hierfür notwendigen Umfang ausüben könne.

Anmerkungen

Laut BSG fällt eine kooperierende, externe Einrichtung nur dann in den Kreis der Hochschulambulanzen gem. § 117 SGB V, wenn diese Einrichtung auch der besonderen hochschulrechtlichen Bedeutung der Lehre und Forschung genügt und insbesondere die weisungsfreie Arbeit einer entsprechenden lehrstuhlführende Person gewährleistet ist. Mit dem Urteil stärkt das BSG die Stellung der bisherigen Hochschulambulanzen und arbeitet ihre besondere Rolle heraus. Ergänzend macht das BSG Ausführungen zur Bemessung der Vergütung einer Hochschulambulanz, die der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht (2 stufiges Prüfverfahren) und stellt zusätzlich die Ermittlungsaufgaben der Schiedsstelle heraus. Danach hätte die Schiedsstelle die Hochschulambulanz auffordern müssen, die Kosten der Ambulanz und deren Entwicklung im Verhältnis zu den Vorjahren darzulegen.

  Datum: 24.03.2023 12:25:04
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Kündigung eines Versorgungsauftrages
 

Das BSG hat seine bisherige Rechtsprechung zum Rechtscharakter einer Kündigung von Versorgungsverträgen mit den Krankenhäusern gem. § 110 SGB V aufgegeben. Danach erfolgt die Kündigung nicht durch einen Verwaltungsakt, sondern durch eine einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung.

BSG, Urteil vom 13.12.2022, B 1 KR 37/21 R

– Kündigung gem. § 110 SGB V, keine Kündigung durch Verwaltungsakt, Nebeneinanderbestehen von echtem und fiktivem Versorgungsvertrag –

Sehr geehrte Damen und Herren,

durch diese neue Rechtsprechung ändert sich die rechtliche Einordnung der Kündigung gem. § 110 SGB V. Bislang ging das BSG davon aus, dass ein Verwaltungsakt erforderlich sei. Nunmehr wird eine Willenserklärung angenommen, wie sie auch für den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge erforderlich ist. 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Trägerin einer Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin und schloss 2004 mit den beklagten Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen einen Versorgungsvertrag nach § 109 Abs. 1 SGB V über 15 Betten auf dem Fachgebiet Psychotherapeutische Medizin, welcher von der zuständen Landesbehörde auch genehmigt wurde.

Die Beklagten kündigten 2013 diesen Versorgungsvertrag mittels Verwaltungsakt, da die 15 Betten für eine bedarfsgerechte Krankenhausbehandlung nicht erforderlich seien. Mit der zwischenzeitlich erfolgten Aufnahme des Krankenhauses mit 35 Betten in den Krankenhausplan sei der Versorgungsvertrag durch einen fiktiven Versorgungsvertrag ersetzt worden. Die zuständige Landesbehörde genehmigte die Kündigung. Den gegen die Kündigung gerichteten Widerspruch der Klägerin wiesen die Beklagten zurück.

Das angerufene Sozialgericht wies die Klage als unzulässig zurück, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Klägerin sei wegen des fiktiven Versorgungsvertrages durch die Kündigung nicht beschwert.

Das Landessozialgericht hatte die Berufung der Klägerin dagegen zurückgewiesen, da kein Kündigungsgrund vorliege.

Die Revision der Klägerin hiergegen war erfolgreich. Demnach sind die Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts sowie der Bescheid der Beklagten aufzuheben.

Entscheidungsgründe

Laut dem BSG sei der Bescheid der Beklagten rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten.

Die Beklagten seien bereits nicht befugt gewesen, über die Kündigung des Versorgungsvertrages durch einen Verwaltungsakt zu entscheiden. Ein Handeln durch Verwaltungsakt sei nur zulässig, wenn diese Handlungsform durch Gesetz gestattet sei. An einer solchen Ermächtigung fehle es aber. Durch diese Rechtsauffassung ändert das BSG seine bisherige Rechtsauffassung.

Die Kündigung hätte laut dem BSG durch eine einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung erfolgen müssen. Dem Wortlaut der wesentlichen Vorschrift § 110 SGB V lassen sich – auch im Wege der Auslegung – keine Anhaltspunkte für eine Verwaltungsaktbefugnis der Beklagten entnehmen. Auch aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem System von Kranken- und Pflegeversicherung ergebe sich nichts anderes.

Den gesetzlichen Regelungen der §§ 109, 110 SGB V lassen sich auch keine Anhaltspunkte für ein Über- und Unterordnungsverhältnis entnehmen. Das Gesetz gebe vielmehr als alleinige Handlungsform für die Begründung der Zulassung des Krankenhauses den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages vor. Es stelle die Beteiligten insofern gleichgeordnet gegenüber.

Die Einordnung der Kündigung eines Versorgungsvertrages als Verwaltungsakt würde dem Bedürfnis der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zwar besser Rechnung tragen. Die spezifischen verfahrensrechtlichen Regelungen für Verwaltungsakte seien jedoch Ausfluss eines Über- und Unterordnungsverhältnisses. Effektiver Rechtsschutz werde zukünftig durch die Möglichkeit einer Feststellungsklage und gegebenenfalls einer einstweiligen Anordnung gewährleistet.

Ein ohne Verwaltungsaktbefugnis ergangener „gesetzloser“ Verwaltungsakt sei stets rechtswidrig und damit aufzuheben.

Schließlich geht das BSG in einem obiter dictum davon aus, dass hinsichtlich der Behandlungseinheiten des Krankenhauses ein echter und ein fiktiver Versorgungsvertrag nicht nebeneinander Bestand haben können. So spreche vieles dafür, dass die 15 Betten, auf die sich der Versorgungsvertrag bezog, in den Krankenhausplan überführt worden und zu Planbetten geworden seien.

Anmerkungen

Durch die Änderung der höchstrichterlichen Auffassung zum Rechtscharakter der Kündigung gem. § 110 SGB V hat das BSG seine bisherige Rechtsauffassung aufgeben und geht nunmehr richtigerweise von einer einseitigen öffentlich-rechtlichen Willenserklärung aus. Somit ist zukünftig gegen eine Kündigung nicht mehr gerichtlich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt statthaft, sondern nur die Feststellungklage. Es bleibt abzuwarten, welche darauf aufbauenden Rechtsfragen in Zukunft vom BSG neu bewertet werden müssen.

Gut beraten, kompetent vertreten

Meine Kanzlei für Medizinrecht berät und vertritt Sie in allen Angelegenheiten „Rund ums Krankenhaus“. Dies umfasst u.a. Beratung und Vertretung in allen sozialgerichtlichen Klageverfahren einschließlich Erörterungsverfahren und Begleitung in den Budget- und Entgeltverhandlungen und anschließenden Schiedsstellenverfahren. Nähere Einzelheiten können Sie der Homepage der Kanzlei für Medizinrecht entnehmen. Wir sind bundesweit tätig.

  Datum: 17.03.2023 10:32:51
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Kodierung von mehreren OPS-Kodes
 

Kodierung von mehreren OPS-Kodes

Die Kodierung von Prozeduren knüpft nach den Deutschen Kodierrichtlinien an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff an und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel. Für die Kodierung ist maßgeblich, ob eine eigenständige Prozedur durchgeführt wurde oder lediglich eine Komponente einer anderen Prozedur. Dies richtet sich letztendlich nach den Regeln der ärztlichen Kunst für die Ausführung des jeweiligen, durch den OPS-Kode konkret definierten, Behandlungsverfahrens.

BSG , Urteil vom 24. 01. 2023, AZ B 1 KR 6/22, R.

– Kodierung mehrerer OPS–Kodes, monokausale Kodierung, Nasenseptum-Korrektur, Operation an der unteren Nasenmuschel, partielle Maxillektomie-

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

vorliegend streiten die Parteien, ob nebeneinander mehrere Kodes verschlüsselt werden durften oder ob ein vom Krankenhaus angegebener Kode lediglich Komponente eines anderen Kodes war. Das BSG bestätigte die Rechtsauffassung des Krankenhauses und der vorhergehenden Instanz. 

Sachverhalt

Die Klägerin behandelte einen Patienten im Jahr 2016 stationär. Es wurde eine Nasenseptum – Korrektur, eine Operation an der unteren Nasenmuschel und eine partielle Maxillektomie (Abtragung des Knochensporns am Kieferknochen) durchgeführt. Dementsprechend hat die Klägerin neben dem OPS-Kode 5-214.6 und OPS Kode 5-215.2/5 - 215.4 auch den OPS Kode

5-771.10 (partielle Maxillektomie) verschlüsselt. Dies führt zur DRG D25D (mäßig komplexe Eingriffe an Kopf und Hals außer bei bösartige Neubildung ohne äußerst schwere CC).

Der von der Beklagten beauftragte MDK vertrat die Auffassung, dass die Resektion von Teilen des Gesichtsschädelknochens integraler Bestandteil des OPS 5 - 214.6 gewesen sei. Dies Folge aus dem Grundsatz der monokausalen Kodierung. Ausgehend hiervon könne nur die Fallpauschale D38Z, die geringer bewertet sei, abgerechnet werden.

In der ersten Instanz wurde die Klage abgewiesen, auf die Berufung der Klägerin wurde die Entscheidung des SG vom LSG aufgehoben. Das BSG bestätigte die Rechtsauffassung der Klägerin und des LSG Baden-Württemberg.

Entscheidungsgründe

Das vom BSG bestätigte Urteil des LSG Baden-Württemberg geht davon aus,, dass die Abtragung des Knochensporns (OPS-Kode 5-771.10) nicht zwingend Bestandteil der Operation an der unteren Nasenmuschel gewesen sei. Medizinisch handele es sich bei der partiellen Maxillektomie nicht um einen Eingriff an der unteren Nasenmuschel und auch nicht um einen notwendigen Bestandteil der unteren Nasenmuschel. Der Processus frontalis maxillae und die untere Nasenmuschel sind individuell ausgeprägt und können jeweils eigenständig zu einer Nasenatmungsbehinderung beitragen. Sie werden daher eigenständig operativ therapiert. Sie werden je nach klinischer Situation isoliert oder auch kombiniert operativ therapiert (LSG, Urteil vom 22.03.2022, Az.: L 11 KR 597/21, Rdz 60).

Anmerkung

Zwar gilt das Grundprinzip, dass die Abbildung eines durchgeführten Eingriffs mit einem Kode  vorzunehmen ist. Werden jedoch mehrere Eingriffe während einer Operation durchgeführt, hängt die Verschlüsselung davon ab, ob der zusätzlich in Ansatz gebrachte OPS-Kode Komponente einer anderen Prozedur ist. Dies wiederum richtet sich nach den Regeln der ärztlichen Kunst, also nach dem im OPS-Kode konkret angegebenen Behandlungsverfahren. Diesbezüglich stellt das BSG heraus, dass die Kodierung von Prozeduren nach den deutschen Kodierrichtlinien an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff anknüpft und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel. 

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 08.03.2023 08:30:24
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Neuer AOP- Vertrag mit Kontextfaktoren wirft viele Fragen auf
 

Neuer AOP- Vertrag mit Kontextfaktoren wirft viele Fragen auf

Sehr geehrte Damen und Herren,

erst kürzlich wurde von der Selbstverwaltung auf Bundesebene der neue AOP- Vertrag verabschiedet und wirft bereits jetzt viele Fragen auf. Ich möchte Sie daher auf den beigefügten Fachaufsatz von Dr. med. Heinz- Georg Kaysers, Dr. med. Andreas Stockmanns und Dr. Jürgen Freitag aufmerksam machen, die sich eingehend mit den Kontextfaktoren im AOP- Katalog unter dem Titel „Kontextfaktoren im AOP- Katalog § 115 b SGB V – Alles nur ein großes Missverständnis !? “ befassen.

Wir werden die weitere Entwicklung beobachten, insbesondere, wie sich die Krankenkassen bezüglich der von den Autoren aufgeworfenen Fragestellungen verhalten werden.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 13.02.2023 15:02:41
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Vergütung für ein Sozialpädiatrisches Zentrum
 

Die Bemessung der Vergütung für ein Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) erfolgt nach den Grundsätzen, die das BSG mit Urteil vom 13.05.2015 (B 6 KA 20/14 R) aufgestellt hat. Dies bedeutet, dass ein zweistufiges Prüfungsschema Anwendung findet.

Danach hat der Träger des SPZ mittels einer Prognose, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung voraussichtlich entstehenden Personal- und Sachkosten plausibel und nachvollziehbar darzulegen. Insoweit liegt die Darlegungs- und Substantiierungslast beim Träger der Einrichtung. In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob der nachvollziehbar begründete Kostenansatz des SPZ unter Wirtschaftlichkeitsaspekten einem Vergleich mit den Kostenansätzen anderer SPZ standhält, soweit sie vergleichbar sind. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist ein Vergütungssatz nach § 120 Abs. 2 SGB V für den Zeitraum 2022 in Höhe von 612,40 € je Patient/Quartal gerechtfertigt.

Schiedsstellenbeschluss vom 05.12.2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

erfahrungsgemäß sind die Kostenträger bei der Festlegung des Vergütungssatzes für ein SPZ sehr restriktiv. Sie sind grundsätzlich nur bereit, einen einmal vereinbarten Vergütungssatz nur mit der Veränderungsrate nach § 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB V fortzuschreiben. Insoweit bleibt nur der Weg zur Schiedsstelle. In dem von uns vertretenen Verfahren setzte sich die Schiedsstelle eingehend und überzeugend mit der Kalkulation der Kosten des SPZ auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG auseinander. Sie legte daher einen Vergütungssatz in Höhe von 612,40 € für das Jahr 2022 fest.

Sachverhalt

Die Vertragsparteien hatten seit über 25 Jahren nicht mehr über den Vergütungssatz des SPZ verhandelt. In diesem Zeitraum hatte sich sowohl die Leistungs- als auch die Kostenstruktur erheblich verändert, so dass das SPZ die Kostenträger zur Verhandlung anhand einer Neukalkulation aufforderte, um einen angemessenen Vergütungssatz zu vereinbaren und die Versorgung der Patienten im SPZ weiter zu gewährleisten. Dazu waren die Kostenträger nicht bereit und verwiesen auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität, der nur eine Anhebung von 2,29 % zulasse.

In einem außerordentlich gut begründeten, umfassenden und klaren Schiedsspruch wies die Schiedsstelle die Auffassung der Kostenträger zurück und setzte auf der Grundlage der Kalkulation des SPZ – unter Abzug bestimmter Positionen – die Vergütung in Höhe von 612,40 € (Quartalspauschale, je Patient) fest.

Entscheidungsgründe

Bezüglich der Ausgangsfrage, ob die Vergütung des SPZ nur mit der Veränderungsrate nach § 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB V fortgeschrieben werden dürfe, bezieht sich die Schiedsstelle darauf, dass diese gesetzliche Regelung auf dem sogenannten Jährlichkeitsprinzip beruhe. Im vorliegenden Fall hätten die Vertragsparteien zuletzt vor mehr als 25 Jahren unter vollkommen anderen Verhältnissen, was sowohl die Personal- und Sachkosten wie Größe, Fallzahlen und Leistungsstruktur des SPZ eine Vergütung vereinbart. Insoweit könne nicht an eine „Vorjahresvereinbarung“ angeknüpft werden. Die Schiedsstelle kommt daher zu dem Schluss, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität mit der Beschränkung der Vergütungshöhe auf die Veränderungsrate des Jahres 2022 bei der vorliegenden Sachlage weder rechtliche noch tatsächliche Wirkung entfalte.

Zudem könne der Ansatz der Kostenträger auch nicht die notwendige medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten auf der Grundlage der erteilten Ermächtigung gewährleisten.

Der von den Kostenträgern vorgelegte „externe Vergleich“ genüge nicht den Anforderungen, die das BSG in seiner Grundsatzentscheidung aufgestellt habe. Die Kostenträger stellten überwiegend auf Vergütungswerte ab, die auch vor mehr als 25 Jahren vereinbart worden seien und seitdem nicht mehr mit den jeweiligen Veränderungen der Personal- und Sachkosten angepasst wurden. Der Vergleich sei daher bereits im Ansatz ungeeignet, Aufschluss über die dem aktuellen Kostenniveau entsprechende Vergütungshöhe zu geben.

Anmerkungen

Die Schiedsstelle setzt sich eingehend und umfangreich mit der Anwendung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB V auseinander. Da letztmalig vor mehr als 25 Jahren die Vergütung verhandelt wurde, kommt dieser Grundsatz nicht zur Anwendung, da keine relevante Vorjahresvereinbarung besteht, an die angeknüpft werden kann. Dies könne nur dann der Fall sein, wenn die letzte Vereinbarung ein oder zwei Jahre zurückliegt. Letztlich hält die Schiedsstelle die Fortschreibung des zuletzt vor mehr als 25 Jahren vereinbarten Vergütungssatzes mit 2,29 % für ungeeignet, die Leistungsfähigkeit des SPZ im Jahr 2022 zu gewährleisten.

Im Schiedsspruch wird herausgestellt, dass die vorgelegte Kalkulation des SPZ den Anforderungen an eine plausible und nachvollziehbare Prognose der voraussichtlich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise erforderlichen Kosten genüge (erster Prüfungsschritt). Bezüglich der kalkulierten Personalkosten bestätigte die Schiedsstelle die Notwendigkeit, im beantragten Umfang ärztliches und sonstiges Personal zur Versorgung des spezifischen Patientenklientels des SPZ einzusetzen.

Dem „externen Vergleich“ der Kostenträger, die lediglich Vergütungssätze anführten, die auch zeitlich sehr weit zurücklagen, erteilte die Schiedsstelle eine Absage. Dieser externe Vergleich würde auch nicht den Anforderungen des BSG genügen (zweiter Prüfungsschritt).

Die Träger der SPZ sollten vor dem Hintergrund dieser Schiedsstellenentscheidung prüfen, ob und inwieweit sich die Leistungs- und Kostenstruktur ihres SPZ verändert hat. Liegen die vereinbarten Vergütungssätze weit zurück, sollte der Weg zur Schiedsstelle nicht gescheut werden.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 26.01.2023 12:20:51
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Ein Krankenhaus muss für den Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale keine gesonderte Begründung abgeben, auch wenn es sich bei der ursprünglichen Behandlung um einen Eingriff aus dem AOP-Katalog gehandelt hat. Die etwaige Begründungspflicht hat zwar zur Folge, dass die Abrechnung des Krankenhauses nicht fällig wird und die Prüffristen des § 275 SGB V nicht zu laufen beginnen. Sie stellt aber keine Voraussetzung für den Anspruch aus § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V (a.F.) dar.

SG Detmold, Urteil vom 08.11.2021, S 16 KR 2320/21

- Aufwandspauschale, Begründungspflicht -

Sehr geehrte Damen und Herren,

zur immer wieder aufkommenden Forderung der Krankenkassen, dass auch beim Zahlungsanspruch der Aufwandspauschale eine gesonderte Begründungspflicht erforderlich sei, hat das Sozialgericht Detmold nun klar zugunsten der Krankenhäuser Stellung bezogen. Hierbei handelte es sich bei der zugrundeliegenden Behandlung um einen Eingriff aus dem AOP-Katalog.

Sachverhalt

Das von uns vertretene Krankenhaus behandelte einen Versicherten der beklagten Krankenkasse vom 16.10.2017 bis zum 19.10.2017 stationär und rechnete hierfür insgesamt 2.323,61 € ab. Hierbei handelte es sich um einen Eingriff aus dem AOP-Katalog.

Die Krankenkasse zahlte diesen Betrag vollständig und leitete eine Prüfung durch den MDK ein.

Sie beauftragte den MDK mit der Prüfung der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung. Der MDK bestätigte die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung für den gesamten Behandlungszeitraum. Zu einer Minderung des Rechnungsbetrages kam es nicht.

Das Krankenhaus forderte daher von der Krankenkasse die Zahlung der Aufwandspauschale gem. § 27S Abs. 1c S. 3 SGB V (a.F.) in Höhe von 300,00 €. Dem kam die Krankenkasse jedoch nicht nach.

Das angerufene Sozialgericht Detmold hat dem Krankenhaus nun Recht gegeben und die Krankenkasse zur Zahlung der Aufwandspauschale verurteilt.

Entscheidungsgründe

Das SG vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Anspruchs zur Zahlung der Aufwandspauschale gem. § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V (a.F.) vorlagen.

Der Anspruch auf die Aufwandspauschale setzt nach Auffassung des SG voraus, dass (1) die Krankenkasse eine Abrechnungsprüfung durch den MDK im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V veranlasst hat, (2) dem Krankenhaus durch eine Anforderung von Sozialdaten durch den MDK gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ein Aufwand entstanden ist, (3) die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat und (4) das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung seitens des Krankenhauses veranlasst wurde (BSG, Urt. v. 28.11.2013, B 3 KR 4/13 R, Rn. 13, juris).

Entgegen der Ansicht der Krankenkasse sei der Anspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Krankenhaus das Prüfverfahren durch eine etwaige fehlende Begründung der stationären Behandlungsnotwendigkeit bei der ansonsten regelhaft ambulant zu erbringenden Leistung veranlasst habe.

Der Anspruch auf die Zahlung einer Aufwandspauschale scheide zwar aus, wenn die Krankenkasse durch eine offensichtlich und nachweislich fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses zum Prüfverfahren nach § 275 SGB V veranlasst worden sei.

Soweit die Krankenkasse jedoch die Auffassung vertritt, dass die offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Abrechnung sich daraus ergebe, dass das Krankenhaus in den nach § 301 SGB V zu übermittelnden Datensätze keine Begründung für die Erforderlichkeit der stationären Behandlung der Versicherten mitgeteilt habe, obwohl es sich um eine regelhaft ambulant zu erbringende Leistung gehandelt habe, folgt das Gericht dieser Auffassung nicht.

Richtig sei, dass das Krankenhaus bei Eingriffen aus dem AOP-Katalog die Notwendigkeit der stationären Behandlung gegenüber der Krankenkasse auf Anforderung gesondert zu begründen habe.

Rechtsfolge eines Verstoßes sei nach der Rechtsprechung des BSG, dass die Abrechnung des Krankenhauses nicht fällig werde und die Prüffristen des § 275 SGB V nicht zu laufen beginne.

Diese Rechtsprechung zur Fälligkeit der Hauptforderung ist nach Auffassung des Gerichts aber auf den Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung der Aufwandspauschale nicht übertragbar.

Der Krankenkasse wäre es laut dem SG vor der Einleitung des Prüfverfahrens zumutbar gewesen, das Krankenhaus zu einer ergänzenden Begründung der stationären Behandlung aufzufordern, wenn sich die stationäre Behandlung nicht bereits aus den übermittelten Datensätzen ergibt. Der unmittelbaren Einschaltung des MDK bedurfte es dann nicht.

Anmerkung

Das Urteil des SG Detmold erteilt der von den Krankenkassen angeführten Forderung nach einer zusätzlichen Begründungspflicht hinsichtlich der Aufwandspauschale bei Eingriffen aus dem AOP-Katalog eine klare Absage.

Das Gericht hat deutlich gemacht, dass die Krankenkassen bei Zweifeln an der ausreichenden Begründung der stationären Behandlungsnotwendigkeit bereits im Vorfeld eine gesonderte Begründung bei den Krankenhäusern anfordern müssen.

Wenn die Krankenkassen dieses zumutbare Verhalten unterlassen, können sie nicht mehr auf der Ebene der Aufwandspauschale auf eine gesonderte Begründung bestehen.

Diese Rechtsauffassung dürfte auch auf die aktuelle Regelung in § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V übertragbar sein, da dessen Wortlaut mit dem Wortlaut der Vorschrift § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V (a.F.) identisch ist.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 12.12.2022 16:41:06
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Fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten
 

Versicherte dürfen nicht entlassen werden, wenn – etwa durch eine medizinisch gebotene Diagnostik oder eine sonstige gebotene medizinische Intervention im weitesten Sinne – in einem überschaubaren Zeitraum 1. Klarheit darüber geschaffen werden kann, ob eine Fortsetzung der stationären Behandlung medizinisch geboten ist, und 2. ggf. die Fortsetzung der Behandlung aus medizinischen Gründen auch tatsächlich erfolgen kann. In der Regel ist ein Zeitraum von zehn Tagen ab der Entscheidung über die Entlassung bis zur Fortsetzung der Behandlung noch als überschaubar anzusehen und wahrt damit noch das erforderliche Behandlungskontinuum.

BSG, Urteil vom 26.04.2022, B 1 KR 14/21 R

-Fallzusammenführung, fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten, Wirtschaftlichkeitsgebot, Beurlaubung, Behandlungskontinuum –

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach wie vor ist zwischen Krankenhaus und Krankenkasse umstritten, ob und bei welcher Fallgestaltung eine Fallzusammenführung aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes erforderlich ist. Mit dem vorliegenden Urteil präzisiert das BSG seine bisherigen Grundsätze zur Fallzusammenführung.

Sachverhalt

Eine Patientin wurde im Krankenhaus der Klägerin vom 05.05 bis 11.5.2011 stationär wegen der Abklärung von Blutabgängen zur Diagnostik und Therapie aufgenommen. Dabei wurde bei der Diagnose ein Analkarzinom festgestellt. Die Patientin wurde einen Tag vor der interdisziplinären Tumorkonferenz entlassen und zur Umsetzung der Ergebnisse am 19.05.2011 zur laparoskopischen Sigmoideostoma-Anlage (künstlicher Darmausgang) und Adhäsiolyse (operatives Lösen von bindegeweblichen  Verwachsungen, hier im Bauchraum) sowie zur Implantation eines Ports für eine anschließende Radiochemotherapie erneut stationär aufgenommen und am 31.05.2011 entlassen.

Für die stationäre Krankenhausbehandlung rechnete das Krankenhaus zwei Fallpauschalen ab: Für den ersten Aufenthalt die DRG G60B und für den zweiten Aufenthalt die DRG G18B. Der von der Krankenkasse beauftragte MDK kam zur Auffassung, dass von einem einheitlichen Behandlungsfall auszugehen sei und somit nur die DRG G18B abzurechnen sei. Die Beklagte Krankenkasse verrechnete daraufhin den bereits gezahlten Betrag für die DRG G60B.

Die Vorinstanzen gaben dem Krankenhaus Recht und verurteilten die beklagte Krankenkasse zur Zahlung. Auf die Revision der beklagten Krankenkasse hob das BSG die Urteile auf und wies die Klage ab.

Entscheidungsgründe

Zunächst konstatiert das BSG, dass das Krankenhaus die Vergütung sachlich – rechnerisch zutreffend abgerechnet habe. Der Fallzusammenführung auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FPV 2011 stehe die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 FPV 2011 entgegen. Danach erfolge keine Fallzusammenführung, wenn einer der Krankenhausaufenthalte mit einer Fallpauschale abgerechnet werden kann, die bei Versorgung in einer Hauptabteilung in Spalte 13 des Fallpauschalenkatalogs gekennzeichnet ist. Dies sei bei der DRG G60B der  Fall. Nach der entsprechenden Fußnote 4, erfolge eine Fallzusammenführung bei Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus nicht. Allerdings gelte auch in diesem Fall das Wirtschaftlichkeitsgebot. Werde dem nicht Rechnung getragen, beschränke sich der Anspruch auf die Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre.

Das Krankenhaus habe die Pflicht, bei der Behandlungsplanung auch die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen und die Behandlungsplanung ggf. daran auszurichten. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordere, dass bei Existenz verschiedener, gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind. Nur die geringere Vergütung sei wirtschaftlich.

Das Wirtschaftlichkeitsgebot gelte auch bei den preisrechtlichen Regelungen der FPV 2011. Aufgrund ihrer Stellung in der Normenhierarchie seien sie nicht in der Lage, das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 und des § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V einzuschränken. Eine spezifische gesetzliche Ermächtigung zu einer solchen Einschränkung zulasten der Krankenkassen fehle den Vertragsparteien des § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG.

Unter Anwendung des Wirtschaftlichkeitsgebots hätten für das Krankenhaus nur zwei Alternativen zur Verfügung gestanden: Entweder hätte die stationäre Behandlung fortgesetzt werden müssen oder es hätte eine Beurlaubung erfolgen müssen. In beiden Fällen wäre lediglich die DRG G18B abrechenbar gewesen. Dies war somit die wirtschaftliche Alternative.

Dabei geht das BSG davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von 10 Tagen ab der Entscheidung über die Entlassung bis zur Fortsetzung der Behandlung noch als überschaubar anzusehen ist und damit noch das erforderliche Behandlungskontinuum wahre. Vorliegend sei die Behandlung innerhalb von weniger als 10 Tagen, nämlich nach 8 Tagen in Umsetzung der Empfehlung der Tumorkonferenz fortgesetzt worden. Insoweit hätte als Behandlungsalternative die Fortsetzung der Behandlung bzw. eine Beurlaubung in Betracht gezogen werden müssen.

Anmerkungen

Das Urteil des BSG reiht sich in seine Entscheidungen zum fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten ein. Danach ist bei der Behandlungsplanung zu prüfen, ob es wirtschaftlichere Behandlungsalternativen gibt, die zu einer geringeren Vergütung führen. Neu in diesem Urteil ist ein angenommener Regelzeitraum von 10 Tagen ab der Entscheidung über die Entlassung bis zur Fortsetzung der Behandlung. Diesen Zeitraum sieht das BSG als Behandlungskontinuum an.

Dies ist wohl so zu verstehen, dass eine Fortsetzung der Behandlung (oder eine Beurlaubung) angezeigt ist, wenn die Wiederaufnahme innerhalb dieses Zeitraumes von 10 Tagen erfolgt. In diesem Fall könne unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots nur 1 Fallpauschale abgerechnet werden.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Entscheidung des BSG noch ein Altfall zu Grunde lag. Ab dem 01.01.2019 findet § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG Anwendung. Dort heißt es:              „In anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig“.

Die Entscheidung des BSG müsste daher unter Zugrundlegung der nun bestehenden gesetzlichen Regelung ab 01.01.2019 anders ausfallen.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 07.11.2022 12:02:26
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Zum zeitlichen Anwendungsbereich von Entscheidungen des Schlichtungsausschusses